Kennt ihr dieses Gefühl, wenn es in euch brodelt und siedet, wenn eine Spannung im Körper ist, ihr euch lebendig fühlt und eine gewaltige Energie in Euch kocht? Wenn kein Lächeln möglich ist, aber der Blick klar wird, ihr alles schärfer seht als sonst, wenn ihr am liebsten schreien möchtet, wenn ihr wütend seid.
Ich bin wütend. Unendlich wütend. Mein Mann hatte einen Herzinfarkt. Nach Sorge, Unruhe, Angst ist nun die Wut da. So eine Scheiße. Ich will das nicht. Ich suche ein Opfer für meine Wut. Seine blöde Tochter, die versucht hat, mich zu beschwichtigen, die mich aber auch tagelang im Unklaren gelassen hat, warum er wirklich im Krankenhaus ist. Von ihr habe ich es nicht erfahren und die ganze Wut, die ich immer schon auf ihr oberflächliches, dummes Verhalten, ihre kleinen Seitenhiebe, ihr anmaßendes Verhalten hatte, ist nicht mehr zu verdrängen. Aber ich bin auch wütend auf meinen Mann. Wieso musste er seinen Herzinfarkt ausgerechnet 1000 km von zu Hause entfernt kriegen? Und überhaupt, warum hat er nicht auf mich gehört? Meinen Salat stehengelassen und die Hundespaziergänge mir überlassen. Weitergeraucht, nachdem ich schon längst aufgehört hatte. Meine Vorträge über gesundes Essen und meine Bitten, endlich mal zum Arzt zu gehen, ignoriert und belächelt. Und jetzt kriegt er einen Herzinfarkt. Idiot!
Ja, ich bin wütend, wütend und noch mal wütend. Aber Wut ist gut. Sie beflügelt mich. Ich spreche aus, was ich denke, gebe meine Zurückhaltung auf, bin nicht so nett wie sonst, zeige, dass mit mir grad nicht zu spaßen ist, dass ich mich ärgere. Die Wut zeigt sich im Alltag, das Klo glänzt wie schon lange nicht mehr, der Rasen ist millimeterkurz und die Fenster sind geputzt,. Wut ist Energie, Wut ist gut, Wut ist besser, als mit diesem schrecklichen dumpfen Gefühl in der Magengegend herumzulaufen. Besser, als alle 5 Minuten das Handy zu checken, ob ich nicht doch einen Anruf verpasst habe.
Der Herzinfarkt war im letzten Jahr. Meinem Mann geht es wieder gut. Er hat aufgehört zu rauchen. Seine Blutwerte sind in Ordnung und meine Wut habe ich damals in meinem Tagebuch festgehalten.
Wut ist gut. Wenn man sie zulässt und ihre Energie in hilfreiche Kanäle lenkt, in Arbeit, Sport, Putzen, aufräumen, oder sie in Bilder und Texte fließen lässt, dann befreit Wut. Wer seine Wut zulässt, hat keinen Hunger. Die Energie fließt. Wer seine Wut zulässt, sieht klarer, kann nichts mehr beschönigen oder Konflikte verdrängen.
Meine Wut damals war nicht die Wut, die plötzlich während eines Streits hochkocht und die schwer zu bändigen ist. Meine Wut war die, die sich unter der Trauer und der Angst verbirgt. Meist verschüttet unter Alltagssorgen und Nöten, ist diese Wut ein Teil von mir, ein Gemütszustand, den ich viel zu oft beiseite dränge, um vernünftig und angepasst zu agieren. Diese Wut ist klar, sie ist ein Zustand, in dem ich voller Energie und Kraft bin, in dem ich mir plötzlich nichts mehr vormache, sondern wach bin und die Dinge so sehe, wie sie sind. Ein Zustand, in dem ich zu handeln beginne, Dinge regle, die ich lange ignoriert habe. Ein Zustand, in dem ich komplett in Kontakt mit mir selbst bin.
Wut gilt als negatives Gefühl. Sie gilt als gefährlich und sie kann auch gefährlich sein. Wenn sie einen während eines Streits oder wegen eines Vorfalls überrollt, man einfach schnell Dampf ablassen muss, kann das zu Worten oder Taten führen, die man später bereut. Wenn die Wut schon lange schlummert, und man sie nicht identifizieren kann oder ihrer Ursache nicht auf dem Grund gehen kann und wenn man nicht gelernt hat, sie zu kanalisieren, kann sie sich gegen Menschen, auch gegen die eigene Person richten oder in der Zerstörung von Dingen enden.
Lässt man die Wut jedoch zu, ist sie befreiend, eine große Energie und ein Antrieb. Sie ist nicht schlecht, sondern hilfreich. Sie beendet zumindest für eine Zeit die Trauer und die damit einhergehende Passivität und sie lässt keine Angst zu. Bei der Bewältigung großer Lebensereignisse wie Krankheit, Tod und Verluste, Abschiede und Krisen gehört Wut ebenso dazu wie Trauer und Angst.
Mir ist sie aber auch beim Abnehmen begegnet. Als ich leichter wurde, nicht mehr aß, um mich zu beruhigen oder zu trösten. Da kam sie, ohne dass ich sagen konnte, worauf sie sich bezog. Wahrscheinlich, weil ich ohne mein Krücke „Essen“ keinen Schleier über meine Gefühle ziehen konnte.
Manchmal entsteht sie auch, wenn ich mich körperlich austobe, ganz bei mir bin. Dann wird mir auf einmal bewusst, dass ich wütend bin, dass mich eine Bemerkung, ein Verhalten verletzt hat oder ich schon länger Groll wegen einer Situation hege. Ich lasse die Wut dann zu und sie tut mir nichts. Im Gegenteil, sie hilft mir Klarheit zu gewinnen, Grenzen zu setzen und zu handeln.
Ja, ich schätze meine Wut. Sie ist nicht schlecht oder negativ, sondern gibt mir den Antrieb, den ich brauche, um in meinem Leben aufzuräumen.
Danke, liebe Frau Yu! Ich wünsche Dir eine wunderschöne Woche! LG Trina
„Mir ist sie aber auch beim Abnehmen begegnet. Als ich leichter wurde, nicht mehr aß, um mich zu beruhigen oder zu trösten. Da kam sie, ohne dass ich sagen konnte, worauf sie sich bezog. Wahrscheinlich, weil ich ohne mein Krücke „Essen“ keinen Schleier über meine Gefühle ziehen konnte.“
Das kenne ich so gut!
Wenn das Betäubungsmittel Essen nicht mehr da ist, gibt es auf einmal so viele Gefühle, die ausgehalten und kanalisiert werden müssen.
Großartig geschrieben!
Und super, wie Du mit Deiner Wut umgegangen bist.
Es stimmt, keine Emotion kann uns, klug genutzt, so voran bringen, wie die Wut. Viele herzliche Grüße und hab ein tolles Wochenende 🙂 Trina
Gut, dass du diese Wut zugelassen und auch heraus gelassen hast… Ja, Wut kann sehr befreiend sein, ich durfte das am eigenen Leib erleben, als mir vor fast drei Jahren auf eine sehr verrückte und verlogene Anschuldigung meiner „Mutter“ der Kragen platzte, und ich ihr endlich, endlich, endlich einmal klar und deutlich sagte, was mir seit langem schon die Seele beschwerte. Seitdem ist zwar absolute Funkstille – doch bereut habe ich diesen „Ausbruch“ bis heute noch keine einzige Sekunde. 😉
Herzliche Grüße!
Das wünsche ich Dir auch liebe Trina
Danke! Ja, ich habe ein Weilchen gebraucht, bis ich verstanden habe, dass grade Wut ein sehr wichtiges Gefühl ist, vor dem man keine Angst haben muss (zumindest nicht vor der eigenenen). Viele herzliche Grüße, Trina
Danke. Ja, Gefühle sind etwas wunderbares, und die Bewältigung unserer Gefühle bringt uns immer ein Stück vorwärts. In diesem Sinne… hab ein glückliches Wochenende! Liebe Grüße, Trina
Danke Christiane, Dir auch ein wunderschönes Wochenende! Liebe Grüße, Trina
Diese Wut, die sich in erreichende Energie wandelt, ist das Beste was du erleben konntest. Wie du sie gesteuert hast, finde ich großartig.
Wut, Trauer, Enttäuschung das damit verbundene schreien, weinen auch. Es ist oft sehr befreiend und wenn man noch eine zweite Chance hat, umso besser…. alles Gute !!!
Seine Tochter hat dich nicht informiert? Da würde ich aber auch platzen! Was den Rest angeht: Es ist bitter, aber den Schuss muss jeder selbst hören. Gut, dass dein Mann seine Chance bekommen hat.
Ich mag diesen deinen Text über die Wut. Ich finde ihn sehr konstruktiv. Ich nehme meine gelegentlich wahr und wundere mich dann über ihre Tiefe …
Liebe Grüße zum Wochenende
Christiane
Ohnmächtige Wut – fies, wünsche Dir ganz doll, dass Du Deinen Kanal bald findest! Schönes Wochenende!! LG Trina
Das klingt gut. Nicht der Auslöser. Das ist mies. Aber Deine Art es zu beschreiben. Ich bin auch wütend. Auf den Chef und das ich Machtlos bin. Hab aber meinen Kanal nicht gefunden. Ich hoffe ich finde ihn auch bevor etwas in mir platzt