Schokolade im Büro

Gestern bin ich der Schokoladenschüssel erlegen. Sie stand im leeren Konferenzraum auf dem Tisch. Eine Glasschüssel. In ihr glitzerten und leuchteten die bunten Papierchen einer bekannten Schokoladenpraline. Voll bis zum Rand war sie, die Schüssel.

Ich erblickte sie, als ich auf dem Weg zum Kopierer an der offenen Tür des Konferenzraums vorbeiging. Ignorierte sie.

Ignorierte sie auch auf dem Rückweg zum Büro. Saß wieder am Schreibtisch.  Draußen war es grau und trüb, der Theaterabend mit meiner Mutter drohte. Am Vormittag war ich bei meiner Vorgesetzten gewesen und hatte von meinem Fehler, dem erbosten Kostenträger  und der klagefreudigen Patientin berichtet, Asche auf mein Haupt geschüttet. Erleichterung wollte sich nicht einstellen.  Immer noch grummelte es in mir, dass ich mich bei der Beratung auf die Aussagen der Patientin verlassen und die Berichte nur überflogen hatte. Ein Anfängerfehler!

Egal, die Monatsplanung stand an und musste erledigt werden. Während ich mich mit allen Kräften bemühte,  dieser Aufgabe gerecht  zu werden, begann mein Gehirn mir drohenden Kohlehydratmangel zu signalisieren. Blitzartig erschienen bunte Schokopralinen vor meinem inneren Auge. Ich drängte das Bild beiseite. Mein Gehirn rächte sich mit Leere im Kopf und erhöhter Fehlerquote bei der Aufgabe. „Nur ein einziges winzig kleines Stückchen, 60 Kalorien, und dafür geht es Dir besser“, suggerierte mir mein dickes Ich. Und fand ich mich im Konferenzraum wieder, mit diesem einzigen Stück Schokolade in der Hand.  Schon auf dem Weg im Büro landete es auf meiner Zunge und verströmte sein süßes Gift. Wohlbefinden breitete sich in mir aus.

Mit neuem Schwung ging ich an meine Aufgabe. Doch keine 5 Minuten später stand ich wieder im Konferenzraum. Griff in die Schüssel und füllte mir die Taschen. Kam wieder am Schreibtisch an und schwelgte in Nougat, Praliné und Marzipan.

Schlechtes Gewissen? Nö!!!

9 Tage hatten Vernunft und Selbstdisziplin  die Oberhand, da hab ich mir diesen Ausrutscher wohl verdient, oder?

 

Tag 16 – ich bin zufrieden mit mir

Was habe ich bislang verändert?

  • 15 bis 20 Minuten walken in der Mittagspause
  • mindestens einmal 3 Stockwerke Treppensteigen am Tag
  • seit Montag weder Eis, Schokolade, Kekse oder Kuchen gegessen

Das ist mir nicht ganz leicht gefallen.

An meinem Arbeitsplatz ist es üblich, dass das Team mittags gemeinsam  isst.  Das machen wir schon seit Jahren und es ist ein festes Ritual geworden. Reihum kocht jemand, hin und wieder holen wir was vom Imbiss. Leider ist das Essen oft fettreich und es gibt fast immer Fleisch. Zum Nachtisch ist es üblich, dass reihum jemand Kuchen, Schokolade oder Eis ausgibt.

Eigentlich ist das eine schöne Sache, aber mir fällt es schwer, mich beim Essen abzugrenzen. ‚Nein‘ zu sagen, wenn mir eine zweite Portion angeboten wird (ich will doch den Koch nicht enttäuschen), oder der Schokolade zu widerstehen. Da alle deftiges Essen bevorzugen, fällt es mir schwer, meinen Wunsch nach Salat und leichte Kost zu äußern.

Wenn ich abnehmen will, werde ich auch mein Essverhalten in der Mittagsrunde ändern müssen. Dieser Gedanke macht mir noch Angst, es fällt mir schwer, meine Rolle der Frau, die gern zugreift, aufzugeben.

Und deshalb ist es für mich ein großer Erfolg, während der ganzen Woche dem Nachtisch widerstanden zu haben. Die Schokolade weitergereicht zu haben, ohne auch nur ein winziges Stückchen zu nehmen. „Danke, ich möchte kein Eis“, zu sagen, als Peter am Freitag eins ausgab.

Und ganz ehrlich, es war gar nicht so schwierig.

Gewichtsprobleme

Vor 5 Jahren habe ich aufgehört zu rauchen. Innerhalb von 6 Monaten  15 kg zugenommen. Und danach weitere 10 kg, langsam und stetig.

5 Jahre Kampf gegen das Gewicht. Gute Vorsätze: keine Süßigkeiten, wenig Weißmehl und Fett. Ein paar Tage durchgehalten, dann wieder ein Einbruch: Kuchen bei der Geburtstagsfeier des Kollegen. Da kann man doch nicht ablehnen, das würde ihn kränken. Familienfeiern, alles dreht sich ums Essen, da lange ich auch zu. Urlaub, lange bei Rotwein noch draußen sitzen, da mag ich den Wein nicht durch Wasser ersetzen, Weihnachten, Ostern, Feste, zu denen gutes Essen gehört.

Und dann die Tage auf der Arbeit, an denen von allen Seiten Forderungen und Bitten, Anliegen und Wünsche kommen. Telefon, Email, persönliche Gespräche, Berichte drängen. Da tut eine Tafel Schokolade soooooo gut.

Wenn es schon mit der bewussten Ernährung nicht klappt, dann will ich mich wenigstens viel bewegen. Aber, ach, im Winter ist es so früh dunkel, da wird es nichts mit dem langen Spaziergang am Wochenende, weil ja erst der Haushalt ruft, die Einkäufe, die Wäsche, der Anruf der Mutter, der Partner was bereden will, der Besuch von den Söhnen zum Mittagessen, und es dämmert, bevor ich losgekommen bin.  Dann eben doch nur die Runde durch das Dorf mit dem Hund.

Ja, meist schaffe ich es einmal in der Woche ins Fitnessstudio. Am zweiten Abend wird es dann schon wieder zu spät. Der lange Arbeitstag, 12 Stunden außer Haus, dann noch die Einkäufe und der Hund muss raus, da lockt das Sofa und die Bequemlichkeit siegt wieder einmal.

Nein, eine Diät habe ich nicht gemacht. Die letzte Diät war nach der Geburt meines jüngeren Sohnes. Danach ging das Gewicht mal rauf, mal runter, aber alles im Rahmen. Größe 42 erschien damals als Katastrophe.

Heute – ja, da mogel ich mich in 46 rein, mit Bauch einziehen und figurformenden Höschen. Igitt!!! Das ich sowas mal anziehen würde, hätte ich mir nie erträumt. Noch mit 45 Jahren habe ich über die Frauen gelästert, deren Busen auf dem Bauch ruhte. Sowas würde mir nie passieren! Da würde ich mich doch vernünftig ernähren und Sport machen! Ha, ha,… Nun, jetzt hat sich auch bei mir Brust- und Bauchumfang einander angenähert und ich meide den Blick in den Spiegel. Kleidung wähle ich nach ihrer streckenden, schlank machenden Wirkung aus, vorbei die Zeit, als ich das kaufte, was mir gefiel.

Geht es mir gut damit? Nein, ganz ehrlich, ich hasse diesen Zustand.

Es tröstet mich, andere Frauen mit dickem Bauch zu sehen, dann weiß ich, ich bin nicht allein. Mein Körper wird älter. Er mag sich nicht mehr so leicht von seinen Fettdepots trennen, wie früher. Ich werde schneller müde. Die Gelenke jaulen manchmal, und es ist lange her, dass ich ein Nacht durchgefeiert habe.

In mir rumort Sehnsucht. Ich will noch mehr vom Leben. Nicht nur Haus, Garten, Job und einmal im Jahr eine Reise. Ich möchte attraktiv sein, schöne Kleider tragen, ich möchte tanzen gehen, ich möchte begehrt werden, ich möchte Sex ohne Wabbelspeck, ich möchte reisen, die Welt sehen, Aufregendes erleben, das Gefühl haben, das noch alles vor mir liegt.

Und dann schaut mich im Spiegel dieses dicke Weib an, mit müden Augen. Da liegt der Mann, mit dem ich lebe,  auf dem Sofa, und Erotik gibt es in unserem Haus  nur noch im Spätprogramm der Privatsender.

Nein, es ist nicht immer einfach, in der Mitte des Lebens zu sein. Der innere Schweinehund ist mächtig. Die Altersweisheit lässt noch auf sich warten. Aber zum Glück bin ich nicht mehr so dumm zu glauben, dass die Erfüllung meiner Sehnsüchte vom Gewicht abhängt.

So, und jetzt gehe ich in die Küche und mache eine Flasche Rotwein auf und koche uns ein schönes Abendessen!