„Im nächsten Jahr wird alles anders. Besser.“
„Alles? Besser? Was meinst du damit?“
„Na, alles eben, mein ganzes Leben. Meine Gesundheit, meine Beziehungen, das Haus hier und der Garten, ich will mehr Zeit für meine Hobbys, ich will endlich mehr reisen und intensiver leben. Glücklicher sein, zufriedener sein, heiterer und gelassener, mehr Lebensfreude haben, mehr Energie, wenn ich abends nach Hause komme.“
„Willst du da nicht ein bisschen viel auf einmal?“
„Nein, das kann ich schaffen.“
„Und, hast du einen konkreten Plan?“
„Nein, ich will einfach loslegen. Und zwar sofort. Nicht erst im neuen Jahr.“
„Du weißt aber schon, dass man Ziele am besten erreicht, wenn man sie in kleine Teilziele einteilt, die man auch wirklich erreichen kann, oder? Sonst ist man nämlich ganz schnell entmutigt, wenn man sich gleich so große Ziele setzt, dass jeder winzige Fortschritt wie ein Nichts erscheint. Und außerdem müssen die Ziele richtig konkret sein, messbar am besten, damit man auch sieht, dass man in die richtige Richtung geht. Wie willst du sonst überprüfen, ob du wirklich zufriedener bist oder mehr Freude am Leben hast?“
„Ja, das weiß ich alles selbst. Zumindest was Gesundheit betrifft, ist alles messbar. Da will ich bessere Zuckerwerte hinkriegen, und ich will 15 kg abnehmen und regelmäßig zum Kieser Training und jeden Tag 10. 000 Schritte gehen und mindestens jeden 2. Tag die Übungen für die Arthrose machen.“
„Das ist konkret. Aber nimmst du dir das nicht jedes Jahr vor?“
„Doch, und letztes Jahr habe ich es sogar bis zum Urlaub durchgehalten, aber als dann der Stress auf der Arbeit losging, hab ich wieder gefuttert wie blöd, du weißt ja, Stressessen, und nicht genug geschlafen, hab abends lange gearbeitet und bin dann nicht mehr zum Sport gegangen, da sind dann natürlich auch die Blutzuckerwerte entgleist und ich habe wieder 5 kg zugenommen.“
„Und wie willst du es hinkriegen, dass es dieses Jahr besser wird?“
„Ich will Stress reduzieren.“
„Was macht dir denn Stress?“
„Eigentlich alles, aber wenn ich ehrlich bin, mache ich mir den selbst, weil ich es immer allen recht machen will und mich immer für alles und jedes verantwortlich fühle. Das ist auf der Arbeit so und auch zuhause. Ich tue was andere wollen, selbst wie lange ich spazieren gehe, bestimme nicht ich, sondern mein Hund.“
„Wie das?“
„Na, wenn sie keine Lust hat zu laufen, kehren wir um, sobald sie ihr Geschäft erledigt hat, auch wenn ich mich auf einen langen Spaziergang gefreut hatte. Wenn Peer was von mir will, lasse ich automatisch alles stehen und liegen, um ihm zur Seite zu eilen und auf der Arbeit mache ich es genau so. Ständig bleibt meine Arbeit liegen, weil die Anliegen anderer wichtiger erscheinen .“
„Das solltest du tatsächlich ändern. Aber mach dich drauf gefasst, dass das den anderen nicht gefallen wird. Du musst mit Widerstand rechnen.
Und was ist mit den anderen Dingen– du willst ja dein ganzes Leben verändern, hast du vorhin gesagt. Was hat es damit auf sich?“
„Oh, das hängt mit meinem 60. Geburtstag zusammen.“
„Wie das?“
„Ich hätte gern eine richtige große Party geschmissen, aber es gab niemanden, den ich einladen konnte.“
„Das ist wirklich traurig. Wie kommt das?“
„Unser Haus ist auch nach drei Jahren eine Baustelle und wir haben keinen Platz für eine Party.“
„Na, da hättest du doch woanders feiern können.“
„Es gab niemanden, den ich hätte einladen können.“
„Niemanden?“
„Meine Familie, natürlich. Aber ich habe nur noch eine wirklich gute Freundin. Keine Bekannten, keinen Freundeskreis. Das ist alles verloren gegangen, als ich damals aus Hamburg weg bin.
„Das wird nächstes Jahr doch genauso sein.“
„Ja, aber zumindest kann ich mir mehr Zeit nehmen, für die paar Leute, die ich kenne. Meine Kontakte intensiver pflegen, da bin ich nämlich ziemlich schlampig. Außerdem will ich mindestens einen Malkurs und einen Kurs in kreativem Schreiben belegen.“
„Und was ist mit all den anderen Sachen. Die Welt sehen, mehr Lebensfreude, gelassener und glücklicher sein – wie willst du das erreichen?“
„Ich will Neues ausprobieren, mich was trauen, mal raus aus dem gewohnten Trott. Meine Welt ist so klein geworden, sie besteht nur noch aus Gewohnheiten und den immer gleichen Ritualen. Meine Arbeit ist der Mittelpunkt meiner Welt. Das will ich ändern. Es muss ja nicht gleich eine Weltreise sein, um neue Eindrücke zu gewinnen, Impulse und neue Ideen zu bekommen. Alles andere hängt vor allem von den inneren Einstellungen ab, davon, dass es mir gelingt, mich von überflüssigen Mustern zu befreien. Gelesen habe ich schon ganz viel darüber, aber jetzt will ich es endlich mal umsetzen.“
„Mit anderen Worten, du willst aktiv und selbstbestimmt an die Dinge herangehen, statt so zu sein, wie andere dich gern hätten.“
„Das trifft es so in etwa. Ich sehe das neue Jahr als Reise an, bei der ich von den vertrauten Pfaden abweiche, neue Wege gehe, mir Zeit nehme, die Dinge zu tun, die mir wichtig erscheinen und vor allem will ich mich auf das Schöne und Positive konzentrieren und mich daran erfreuen.“
„Viel Glück. Das hört sich nach einem langen Prozess an. Ich bin gespannt.“