Ordnung muss sein

Zu Weihnachten wollte ich meiner Mutter eine Handtasche schenken. Statt bequem im Netz zu shoppen, entschied ich mich, für die Belebung der Innenstadt zu sorgen und das Lederwarenfachgeschäft aufzusuchen.

Schlecht zu Fuß oder vielleicht auch einfach nur bequem, fuhr ich mit dem Auto in die Stadt und fand zu meiner Freude einen Parkplatz nur einen halben Kilometer von meinem Ziel entfernt. Brav ging ich zum nächsten Parkautomaten. Dieser war kaputt. Ich ließ das Auto stehen und machte mich auf den Weg zum nächsten Automaten, rund 100 m entfernt. Der funktionierte und nachdem ich mein Zettelchen gut sichtbar platziert hatte, marschierte ich in die Innenstadt. Die Auswahl an Handtaschen war enttäuschend und ich ließ mich von der Verkäuferin überzeugen, meiner Mutter doch lieber einen Regenschirm in bester Qualität und einem entsprechenden Preis zu schenken. Nachdem ich auf dem Weihnachtsmarkt noch engen Körperkontakt und eine schon etwas trockene Bratwurst genossen hatte, kehrte ich noch vor Ablaufen der Parkzeit zu meinem Auto zurück.

Gestern  flatterte mir ein Bußgeldbescheid über 20 Euro ins Haus. Ihm entnahm ich, dass ich am 20. Dezember in der Zeit von 15.32 Uhr bis 15.37 Uhr ohne Parkerlaubnis in der Hindenburgstraße gestanden hatte. Ich war, gelinde gesagt, ein wenig irritiert. Meine Nachbarin musste sich meine Wuttirade anhören. Dann erzählte sie mir, dass der Automat schon Ewigkeiten kaputt ist und eigentlich jeder wüsste, dass die Herren und Damen vom Ordnungsamt gern in der Seitenstraße lauern, um nach Opfern Ausschau zu halten. Wenn sie ein Ticket geschrieben haben, verstecken sie sich wieder. Kann ich verstehen. Wahrscheinlich schämen sie sich ihres Jobs. Würde ich auch.  

Durchhänger

Kennt Ihr Tage, an denen Ihr nicht Fisch und nicht Fleisch seid? Tage, an denen Ihr zu nichts Lust habt. Tage, die grau erscheinen. An denen Ihr Euch nicht wirklich gesund, aber auch nicht krank fühlt?

So einen Tag erlebe ich heute. Habe leichte Kopfweh. Friere und bin genervt vom grauen Himmel, dem Wind und der Kälte. Nur 6°. Selbst der Spaziergang mit dem Hund hilft heute nicht.

Eigentlich begann der Tag ganz normal. Aufstehen, Hunderunde, einen Becher Kaffee und die Zeitung. Ein bisschen Hausarbeit. Dann eine Fahrt in die Stadt. Ich müsste mir mal wieder etwas zum Anziehen kaufen.

In unserer kleinen Stadt gibt es keine große Auswahl. Schon nach 30 Minuten in den drei Geschäften, die Mode auch über Größe 44 führen, war klar, dass nichts Passendes dabei ist. 10 Minuten in der Umkleidekabine, ein Blick in den Spiegel und die Laune war endgültig im Keller. Sofort entschieden, den Einkaufstag abzubrechen. Dafür etwas Schönes für die Seele gekauft, ein Hornveilchen in zarten Farben.

Am Nachmittag hatte ich Zeit für mich. Hatte zu nichts Lust, aber das Gefühl, etwas tun zu müssen: ich könnte bügeln, ich könnte den Kleiderschrank ausmisten, ich könnte noch einen langen Spaziergang mit dem Hund machen, ich könnte lesen, ich könnte meine Freundin anrufen, ich könnte eine DVD ansehen, ich könnte im Internet surfen, ich könnte…. –  es blieb beim  ‚könnte‘: 

Ein bisschen habe ich innerlich mit mir geschimpft. So die Zeit zu verschwenden!! Aber dann setzte mein gesunder Menschenverstand ein: es ist Samstag, Wochenende. Ich habe die ganze Woche  gearbeitet. Zweimal in einem ganz langen Stau gestanden, mich über eine neue Baustelle geärgert, und intensive Gespräche geführt. Ich habe meine Mutter besucht und meinen jüngeren Sohn. War gestern erst spät am Abend zuhause. Darf man da nicht mal leer und müde sein? Einen Durchhänger haben?

Und genau in dem Moment, wo ich mir zugestanden habe, heute einen faulen Tag zu haben, da verschwanden die Kopfschmerzen und die schlechte Laune. Ich bin noch eine Runde mit dem Hund gelaufen, und während wir unterwegs waren, kam die Abendsonne hervor. Und plötzlich habe ich wieder Energie, freue mich auf den Abend und werde ihn genießen!

Selbstfindung: Aussehen

In den letzten Jahren ist mir mein Aussehen  nicht mehr so wichtig. Ich gehe ungeschminkt, in Gammelklamotten in den Supermarkt und mache mir keine Gedanken darüber, wie ich wohl auf andere wirke.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich mich in den vergangenen Jahren zunehmend habe gehen lassen. Den  Friseur besuche ich so selten wie möglich, meine Beine rasiere ich nur noch im Hochsommer, meine Fingernägel sind kurz. Meine Kleidung ist vor allem zweckmäßig, schließlich will ich damit bei Wind und Wetter Gartenarbeit und Hundespaziergänge machen. Nur zur Arbeit ziehe ich  die „guten“ Sachen an.

Am Wochenende verlasse ich das Land nur selten. Seit Ewigkeiten war ich nicht mehr im Kino oder in einer Ausstellung. Was modisch angesagt ist, kann ich nicht sagen. Klamotten kaufe ich seit einiger Zeit nur noch unter dem Aspekt, ob sie in großen Größen zu bekommen sind und dann in unserer kleinen Kreisstadt, wo die Auswahl begrenzt, aber das Einkaufen ruhig ist.

Letzte Woche hat mich meine Freundin überredet, nach der Arbeit mit ihr einen Einkaufsbummel zu machen. D. h. sie hat eingekauft und ich habe sie begleitet. In der Innenstadt von Hamburg. Innerhalb weniger Minuten  fühlte ich mich wie so ein richtiges Landei. Plump und unbeholfen und absolut nicht angesagt.

In den schönen Geschäften fühlte ich mich unwohl, dabei war es einmal selbstverständlich für mich, in ihnen einzukaufen. Weder von den Verkäuferinnen noch von den anderen Kunden wurde ich in irgendeiner Weise beachtet.

Dann erblickte ich mich selbst im großen Wandspiegel zwischen all den schönen Dingen: eine übergewichtige, schwitzende Frau im mittleren Alter mit schlapp herunterhängenden blond gefärbten, schulterlangen Haaren, einem altmodischen Brillengestell auf der Nase und schlecht sitzender, etwas altbackener Kleidung.

Während ich in meinem vertrauten Umfeld mein Selbstbild einer zwar dicken, aber sonst noch ganz jungen und attraktiven Frau aufrecht erhalten kann, sah ich mich inmitten des Glanzes so, wie mich wahrscheinlich viele Menschen sehen. Als unauffällige, schon etwas ältere Frau.  Definitv kein Hingucker mehr.

Will ich so bleiben?

Nein, ganz bestimmt nicht.

Positiv ist ja, das ich mein Selbstwertgefühl schon lange nicht mehr aus dem Äußeren beziehe. Negativ ist, dass ich mir selbst wenig Selbstachtung und Selbstliebe zeige, wenn ich mein Äußeres so komplett vernachlässige und meine Aktivitäten immer mehr und ausschließlich aufs häusliche Umfeld verlagere. Es gibt doch noch eine Welt außerhalb meiner Arbeit und meines Hauses und der darum liegenden Felder, oder?

Will ich neben der Arbeit den Rest meines Lebens mit Gartenarbeit, Hundespaziergängen,  Fernsehabenden und gelegentlichen Flohmarktbesuchen verbringen? Meine Kontakte zur Außenwelt auf die Familie begrenzen? Das kann es doch nicht sein?

Was ist aus meinen Interessen an Filmen und Kunst geworden? Was aus meinem Spaß an Straßenfesten, schönen Geschäften, Kneipenbummel und Tanzen gehen? Wann habe ich das letzte Mal etwas Neues, Interessantes ausprobiert? Neue Orte entdeckt?

Ich empfinde mein Äußeres nun als Ausdruck dafür, dass ich meine Lebenswelt in den letzten Jahren, den Jahren, in denen ich  zugenommen habe, immer mehr reduziert habe.

Dieses Rad muss angehalten werden. Ich reduziere jetzt meinen Umfang und lege dafür an Attraktivität und Aktivität wieder zu. Genau!

Heute fange ich damit an. Ich habe ein Wellness Wochenende zum Geburtstag bekommen und in zwei Stunden fahren wir los. Ein Wochenende im Spa – göttlich. Vorher kaufe ich mir noch einen schönen Badeanzug und vielleicht noch ein bisschen hübsche Wäsche und dann werde ich genießen und eine neue Welt entdecken. Ich freu mich drauf!!!