Schulen können ein grausamer Ort sein

Erika kam aus einem Dorf, war weder besonders klug noch besonders hübsch, aber sie war selbstsicher und wusste, wie sie Menschen für sich gewinnt. Es dauerte nicht lange, und sie war die unangefochtene Wortführerin in der Klasse. Alle wollten mit ihr befreundet sein.

Insgeheim beneidete ich sie für ihre unbeschwerte Art und ihr Durchsetzungsvermögen. Niemand widersprach ihr. Mir war es schwer gefallen, neue Freunde auf dem Gymnasium zu finden und ich klammerte mich an Sabine, mit der ich schon in der Grundschulte befreundet war.

Irgendwann merkte ich, dass Gespräche endeten, wenn ich dazukam und dass die Mädchen um mich herum tuschelten. Es war Sabine, die mir dann eines Tages zusteckte, dass Erika eine große Geburtstagsfeier plante und alle Mädchen aus der Klasse eingeladen hatte. Nur mich hatte sie nicht eingeladen, weil, so trug es mir Sabine zu, sie mich nicht mochte und die anderen mich auch alle doof finden würden. Ich war am Boden zerstört. Das Gefühl ausgeschlossen und nicht gewollt zu sein, hielt noch lange an. Ich zweifelte an mir und traute mich nun noch weniger, Kontakt zu den anderen Kindern aufzunehmen.

Als wir nach dem 6. Schuljahr anderen Klassen zugeteilt wurden, sah ich Erika nur noch selten auf dem Schulhof. In meiner neuen Klasse freundete ich mich mit einem Mädchen an, das ebenso schüchtern und unsicher war wie ich. Wir blieben die Außenseiter in der Klasse, bis ich hübsch wurde. Ich verbrachte meine Freizeit mit Schwimmen und nahm ab und plötzlich zeigten die Jungen in der Klasse Interesse an mir. Sie luden mich zu Partys ein und plötzlich gehörte ich dazu. Wegen meines Aussehens, davon war ich fest überzeugt. Dass jemand mich wegen meiner Persönlichkeit, einfach nur, weil ich ich war, leiden konnte, übertraf meine Vorstellungskraft. Also sorgte ich dafür, dass ich sehr schlank blieb, immer toll geschminkt war, angesagte Kleidung trug und mich so verhielt, wie die Jungs es gut fanden. Es dauerte sehr lange, bis ich mein Selbstwertgefühl nicht mehr von der Anerkennung anderer, insbesondere der Männer, abhängig machte.

Ungefähr 25 Jahre später wurde das Selbstwertgefühl meines Sohnes durch seine Klassenlehrerin zerstört. Er war damals 8 Jahre alt.

Aufgrund einer sehr schweren Lese-Rechtschreib-Schwäche und dem Verdacht einer ADS hatte seine Lehrerin alles darangesetzt, dass er zur Förderschule wechseln musste. Meine Proteste und mein Widerspruch führten ins Leere. Von der Schulbehörde erhielt ich keine Unterstützung.

Kurz vor Ende des Schuljahres erhielt ich nachmittags einen Anruf von der Mutter eines Klassenkameraden.

„Du“, sagte sie, „Clara ist heute ganz aufgelöst aus der Schule gekommen. Frau F.-D hat der Klasse gesagt, dass J.  auf eine andere Schule muss, weil er zu dumm für eine normale Grundschule ist.“

Mir blieb fast das Herz stehen, aber ein Anruf bei einer anderen Mutter bestätigte die Aussage. Voller Wut rief ich Frau F-D. Diese blieb gelassen und war sich keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil. „Irgendwann muss man Kinder mit der Wahrheit konfrontieren“, meinte sie.

Es dauerte Jahre und zwei Psychotherapien, um J. das Vertrauen in sich selbst zurückzugeben. Die Tatsache, dass er nach dem Hauptschulabschluss, den er an der Förderschule machte, einen guten Realschulabschluss auf der Berufsfachschule erreichte und seine Ausbildung mit guten Noten abschloss, half nicht, um sein Selbstvertrauen wieder herzustellen. Bis heute traut er sich nur wenig zu.

Sicherlich hat nicht nur die Aussage von Frau F-D zum Verlust des Selbstvertrauens geführt, sondern auch die vielen Misserfolgserlebnisse, der Spott der anderen Kinder und die Tatsache, dass der Nachbarsjunge nicht mit ihm spielen durfte, weil er auf die „Sonderschule“ ging, die in dem kleinen Ort einen schlechten Ruf hatte.

Es ist üblich, so erklärte mir der Schulleiter, Kinder mit Lernproblemen mit verhaltensauffälligen Kindern zu unterrichten, weil „Kinder mit Lernschwierigkeiten fast immer auch verhaltensauffällig sind.

Mein Sohn hatte infolge während seiner Schulzeit kaum Freunde. Anerkennung fand er schließlich als Teenager beim Sport in einem Verein Hamburg. Um dort hinzugelangen, nahm er anderthalb Stunden Bahnfahrt auf sich. Viel später erzählte er mir, dass er dort niemanden erzählte, dass er mal auf der Förderschule war, weil er sich dessen so schämte.

Ja, Schulen können ein grausamer Ort sein.

Im Sommer ist meine Enkelin eingeschult worden. Sie ist, genau wie ich als Kind, ein bisschen moppelig. Anders als ich jedoch, hat sie viel Selbstvertrauen und Durchsetzungsfähigkeit und schließt leicht Freundschaften. Ich bete, dass sie eine schöne Schulzeit haben wird, dass sie Schule als einen Ort erfährt, an dem Kinder in ihrer Entwicklung gefördert und wertgeschätzt werden. Der Anfang war schon mal gut….

Alltagssplitter: Ereignisreiche Tage, die im Bett enden

Donnerstag: Freundinnentag. Einmal im Jahr machen meine beste Freundin und ich einen Ausflug. Diesmal geht’s nach Rendsburg, zur Nord Art. Großartig! Kann ich euch nur empfehlen. Eine Beschreibung erspare ich euch, nur so viel: großartige Skulpturen, ein toller Park, in dem sie ausgestellt werden, eine alte Fabrikhalle, in der Bilder und weitere Skulpturen von Künstlern aus der großen weiten Welt ausgestellt sind. Humorvolles, nachdenkliche stimmendes, beunruhigendes, einfach nur schönes. Nach 5 Stunden sind wir kunstgesättigt und suchen uns ein Café. Genießen es, zusammen zu sein, statt immer nur zu telefonieren. Wir beschließen, uns künftig öfter zu treffen. Wie jedesmal.

Freitag: ein weiterer Urlaubstag. Den Vormittag nutze ich, um den Wochenputz zu machen, den Nachmittag, um den Wochenendeinkauf zu machen. Danach steht einem tollen Wochenende nichts mehr im Weg. Gegen 17.30 hole ich meine Mutter ab und wir fahren nach Hamburg, ins Hansa Theater, wo eine tolle Show mit Musik aus dem Kuba der 50iger Jahre läuft. Die Stimmung im Saal ist phantastische. Am Ende stehen alle Gäste, schwingen die Hüfte und singen mit. Meine Mutter, 86, tanzt mit und ich freue mich, dass ich mit den Karten das richtige Geburtstagsgeschenk für sie gewählt habe.

Samstag: Ausschlafen, der Vorabend zieht noch mal an meinem inneren Auge vorbei und ich starte gut gelaunt in den Tag. Frühstücke ausgiebig, lese die Zeitung, dann habe ich einen Termin bei meiner Fußpflegerin, die gleichzeitig die beste Nachbarin der Welt ist. Beschwingt gehe ich danach in die Stadt, probiere ein paar Jeans an, die mir dann doch nicht gefallen. Auf dem Rückweg komme ich an einem Antiquariat vorbei und gehe spontan – nur mal schnell gucken, was es da gibt – rein. Eine Stunde später komme ich mit 5 Büchern beladen wieder heraus. Der restliche Samstag verläuft typisch: Rasen mähen, etwas Schönes kochen, ein Glas Wein trinken, einen Film sehen.

Sonntag: Oldtimertreffen in Celle. Eigentlich bin ich kein wirklicher Oldtimerfan, aber ich mag die Stadt mit ihrem bunten Fachwerk. Gute Eisdielen gibt es da auch und mein Liebster hat mir hinterher eine Pizza bei unserem Lieblingsitaliener in Amelinghausen versprochen. Als wir dort ankommen, beginnt es zu gießen, statt auf der Terrasse sitzen wir drinnen. Als Entschädigung gibt es einen wunderschönen Regenbogen.

Montag: Nach dem langen Wochenende fällt mir das Aufstehen schwer. Die Autobahn ist zum Glück frei und ich komme rechtzeitig im Büro an. Nur eine Krankmeldung wegen Rücken, sonst ist alles gut. Ich habe zum Glück nur wenige Termine und der Tag vergeht schnell. Gegen Nachmittag wird mir ein wenig schwummrig. Der Haus kratzt, eine Grippe im Anmarsch? Als ich abends nach Hause fahre, fühle ich mich benommen, fahre ganz vorsichtig und langsam. Als ich zuhause bin, fange ich furchtbar an zu frieren. Ich messe Fieber: 39°.

Dienstag: Ich stehe früh auf, um mich rechtzeitig krank zu melden. Ich habe eklige Kopfschmerzen, die Nase ist dicht und meine Augen sind ganz empfindlich. Mag nicht mal Zeitung lesen, zu anstrengend. Aus einem Bauchgefühl heraus, mache ich einen Corona-Test: positiv. Ich will es nicht glauben, obwohl ich es eigentlich weiß, und auch der zweite Test ist positiv. Ich rufe meine Ärztin an, die mich eine Woche krankschreibt, dann gehe ich wieder ins Bett. Nachmittags rufe ich meine Mutter an. Sie klingt erkältet. Kurz darauf ist klar, auch sie hat es erwischt. Mist. Ich sorge mich.

Heute: Immer noch Fieber und Kopfweh, aber nicht mehr ganz so schlimm. Habe auch nur zweimal geschlafen und zwar im Sessel. Mein Sohn hat mir ein paar Dinge eingekauft. Mit meiner Mutter habe ich zweimal telefoniert. Auch sie war beim Arzt. Ihr Blutdruck und ihre Zuckerwerte sind ok, als sie letztes Jahr Corona hatte, sind ihre Werte entglitten und sie musste 10 Tage ins Krankenhaus. Sobald ich mich fit genug fühle, Auto zu fahren, werde ich bei ihr vorbeigucken. Bis dahin telefonieren. So ein Mist auch. Corona mitten im Sommer, wer hätte damit gerechnet?

Festgeklebt wird nichts bewegt

„Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen.“ (unbekannt)

Die Aktionen der Letzten Generation lenken den Blick der Öffentlichkeit auf das, was sie tun, nicht aber auf die Ziele, für die sie stehen.

Menschen verbinden mit der Letzten Generation Beschädigungen, Staus und Nötigung, sonst nichts. Menschen, die durch die Aktionen zu Schaden kommen, entwickeln Wut und Abwehr gegen Klimaaktivisten.

Die letzte Generation meint zwar, für den Klimaschutz zu kämpfen, aber letztendlich tragen sie dazu bei, dass dieser einen schlechten Ruf bekommt. Mit Klimaaktivisten assoziieren mittlerweile große Teile der Bevölkerung negative Ereignisse, Störung und Chaos.

Das es auch anders laufen kann, hat Greenpeace gezeigt. Mit vielen auch riskanten Aktionen haben sie den Blick der Bevölkerung auf Missstände im Bereich Umweltschutz gezogen. Dabei haben Sie die Sympathie und Unterstützung vieler Menschen gewonnen.

Die Letzte Generation sorgt hingegen dafür, dass Menschen in ihrem Alltag verletzt werden, wichtige Termine verpassen, Reisen, auf die sie lange gespart haben, nicht antreten können, stundenlang auf heißen Straßen ausharren müssen. Sie lösen Stress und Aggressionen aus, aber kein Umdenken in Sache Klimaschutz. Sympathien gewinnen sie so nicht.

Solange sie aber die Sympathie der Menschen nicht gewinnen, sind sie für den Staat und andere Institutionen nicht relevant. Sie begehen Straftaten und werden dafür zur Rechenschaft gezogen. Ihre Aktionen verhelfen vielleicht noch der Presse zu mehr Lesern und Kommentaren, aber das nützt dem Klima auch nicht.  

Was würde wohl geschehen, wenn die letzte Generation ihre Kreativität für andere spektakuläre Aktionen nutzt? Solche, die die Herzen der Menschen gewinnen. Solche, über die man vielleicht sogar lachen kann.

Sie könnten Herrn Lindner „nötigen“, statt in sein Auto zu steigen, sich in einer Sänfte durch Berlin tragen zu lassen. Politiker mit Rischkas befördern, und das ganz klimaneutral.

Statt Kunstwerke zu entstellen, könnten sie selbst welche anfertigen und ihre Botschaft humorvoll und satirisch überbringen. Witzig sollten ihre Aktionen sein, Widersprüche und Korruptheit entlarven, Mut und Lust auf selbst dabei sein machen.

Mit einer großen Anhängerschaft auf ihrer Seite, würde auch die Politik sie ernst nehmen, denn dann geht es um Wählerstimmen. Dann kann aus der letzten Generation die erste Generation werden, die dafür sorgt, dass Menschen auch ohne Geschwindigkeitsbegrenzung 100 km fahren.