Selbstmotivation

Da es mit dem Abnehmen bei mir nicht so richtig vorangeht, stelle ich mir die Frage, was mich eigentlich zum Abnehmen motiviert.  Mein Hausarzt möchte, dass ich abnehme, weil er die Gefahr von Arterienverkalkung und Diabetes Typ II im Anmarsch sieht. Mein Orthopäde möchte, dass ich abnehmen, weil jedes Gramm zuviel meine Arthrose verschlimmert.

Beide haben gute Argumente und  ich stimme ihnen zu. Ich sollte leichter sein und mehr an meine Gesundheit denken.

Gewichtsverlust bringt auch noch weitere Vorteile:

  • die Auswahl an schöner Kleidung ist wesentlich größer
  • ein bestimmter Typ von Verkäuferin (schlank, modisch gekleidet) behandelt einen wie einen Kunden und nicht wie ein lästiges Objekt
  • im Flugzeug (Billigflieger) passt man in die Sitze, ohne das es an den Hüften drückt.
  • man kann sich einen großen Eisbecher bestellen, ohne das Gefühl zu haben, dass alle um einen herum denken „typisch, die Dicke da, kann man mal wieder sehen, woran es liegt…“
  • man muss sich keine blöden Kommentare von Brüdern („du hast ja einen ganz schönen Dragonerarsch gekriegt“), Schwägerinnen („was machst Du, seit Du nicht mehr rauchst, nur noch Schokolade essen…?“) und sonstigen gehässigen Zeitgenossen anhören.

Nun, an den meisten Tagen stehe ich über diese hämischen Kommentare, diesem Verkäuferinnentyp bin ich wahrscheinlich intellektuell weit überlegen, was Fremde über mich denken, tut mir nicht weh und Fliegen tu ich höchstens einmal im Jahr. Die schlechte Auswahl an Kleidung nervt, aber ich hab grad gestern gesehen, dass in unserer Kreisstadt ein neuer Laden mit Kleidung Größe 42 – 60 geöffnet hat.

Nein, diese äußeren Dinge sind es nicht.

Ich war auch schon oft genug schlank , um zu wissen, dass Größe 38/40 mein Leben nicht wie von Zauberhand spannender, aufregender, erotischer oder glücklicher macht.

Also, was motiviert mich dann?

Zuerst kommt mir da das Aussehen in den Sinn. Ich kann den Dellen an meinen Oberschenkeln, meinem Doppelkinn, den Wurstfingern  und vor allem meinem Bauch, der sich mir beim Bücken in den Weg stellt, einfach nichts abgewinnen. Ich kann meine Zehen nicht sehen, wenn ich an mir herunterschaue. Ich sehe mir diesen dicken, schwabbeligen Bauch an und er kommt mir vor wie ein Fremdkörper. Das bin nicht ich!!!

Wenn ich ein Stück weiter in mich hineinhorche, dann spricht mein Selbstgefühl zu mir. Mein Selbstbild hat sich meinem Gewicht angepasst. Ich sehe mich selbst als eine Art Übermutter. Immer stark, immer verfügbar, immer gelassen. So, wie andere mich gern haben. Aber dafür ist ein anderer Teil von mir verschwunden. Der Teil, der die Welt erobern wollte, der Teil, der sich auf neue Menschen gefreut hat, der immer hinzu lernen wollte, der sich für ungewöhnliche Gedanken und Menschen begeistern konnte. Der immer wieder Neues ausprobiert hat. Sich gern bewegt und in Bewegung war. Statt dessen ist die Bequemlichkeit in mein Leben gekrochen. Fernsehabende bei einem Glas Rotwein und Chips, Fahrten mit dem Auto statt mit dem Fahrrad, Grillen im Garten, Feste für die Familie ausrichten, Woche für Woche die gleichen Routinen. Und auf der Arbeit immer die Gelassene, Starke, diejenige, die immer hilft, aber eben auch schon seit fast 20 Jahren da ist, alles kennt, eben die Konservative, die die Jungen bremst.

Ich mag diese „Bequeme“ nicht. Und mein Gewicht erscheint mir oft wie ein Stein, der mich in dieser Rolle hält. Der mich runterzieht, mich nicht vom Sofa hochkommen lässt. Mein Fett als Schicht, die meine Wut im Zaum hält, meine Energie in mir gefangen hält.

Die Bequemlichkeit fühlt sich gut an. Sie ist verführerisch. Die Fernsehabende sind gemütlich, alle essen gern, was ich koche. Auf der Arbeit, und nicht nur dort, bewahre ich die Harmonie. Bin so auch für alle um mich herum bequem.

Und hier ist mein Motiv. Ich möchte wieder in Bewegung sein. Mich nicht mehr beschweren. Nicht mehr nur bequem sein.

Wenn ich zuviel esse, erscheint mir das Sofa als schönster Ort der Welt. Aber das eigentlich Leben zieht an mir vorbei.

Wenn ich zuviel esse, dann schlucke ich  Ärger und Wut, Müdigkeit und Enttäuschung  herunter.

Wenn ich zuviel esse, dann betäube ich Bedürfnisse, deren Erfüllung Veränderungen und Handeln von mir verlangen.

Ich esse mehr als ich brauche, weil ich mir das, was ich wirklich brauche, nicht zugestehe. Der Gewichtsverlust, das Abnehmen, sind also nur Nebeneffekte bei dem Streben Bequemlichkeit durch Leben zu ersetzen. Oder, anders ausgedrückt: Selbst-erfüllung statt Selbst-befüllung.

Selbstfindung: Aussehen

In den letzten Jahren ist mir mein Aussehen  nicht mehr so wichtig. Ich gehe ungeschminkt, in Gammelklamotten in den Supermarkt und mache mir keine Gedanken darüber, wie ich wohl auf andere wirke.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich mir eingestehen, dass ich mich in den vergangenen Jahren zunehmend habe gehen lassen. Den  Friseur besuche ich so selten wie möglich, meine Beine rasiere ich nur noch im Hochsommer, meine Fingernägel sind kurz. Meine Kleidung ist vor allem zweckmäßig, schließlich will ich damit bei Wind und Wetter Gartenarbeit und Hundespaziergänge machen. Nur zur Arbeit ziehe ich  die „guten“ Sachen an.

Am Wochenende verlasse ich das Land nur selten. Seit Ewigkeiten war ich nicht mehr im Kino oder in einer Ausstellung. Was modisch angesagt ist, kann ich nicht sagen. Klamotten kaufe ich seit einiger Zeit nur noch unter dem Aspekt, ob sie in großen Größen zu bekommen sind und dann in unserer kleinen Kreisstadt, wo die Auswahl begrenzt, aber das Einkaufen ruhig ist.

Letzte Woche hat mich meine Freundin überredet, nach der Arbeit mit ihr einen Einkaufsbummel zu machen. D. h. sie hat eingekauft und ich habe sie begleitet. In der Innenstadt von Hamburg. Innerhalb weniger Minuten  fühlte ich mich wie so ein richtiges Landei. Plump und unbeholfen und absolut nicht angesagt.

In den schönen Geschäften fühlte ich mich unwohl, dabei war es einmal selbstverständlich für mich, in ihnen einzukaufen. Weder von den Verkäuferinnen noch von den anderen Kunden wurde ich in irgendeiner Weise beachtet.

Dann erblickte ich mich selbst im großen Wandspiegel zwischen all den schönen Dingen: eine übergewichtige, schwitzende Frau im mittleren Alter mit schlapp herunterhängenden blond gefärbten, schulterlangen Haaren, einem altmodischen Brillengestell auf der Nase und schlecht sitzender, etwas altbackener Kleidung.

Während ich in meinem vertrauten Umfeld mein Selbstbild einer zwar dicken, aber sonst noch ganz jungen und attraktiven Frau aufrecht erhalten kann, sah ich mich inmitten des Glanzes so, wie mich wahrscheinlich viele Menschen sehen. Als unauffällige, schon etwas ältere Frau.  Definitv kein Hingucker mehr.

Will ich so bleiben?

Nein, ganz bestimmt nicht.

Positiv ist ja, das ich mein Selbstwertgefühl schon lange nicht mehr aus dem Äußeren beziehe. Negativ ist, dass ich mir selbst wenig Selbstachtung und Selbstliebe zeige, wenn ich mein Äußeres so komplett vernachlässige und meine Aktivitäten immer mehr und ausschließlich aufs häusliche Umfeld verlagere. Es gibt doch noch eine Welt außerhalb meiner Arbeit und meines Hauses und der darum liegenden Felder, oder?

Will ich neben der Arbeit den Rest meines Lebens mit Gartenarbeit, Hundespaziergängen,  Fernsehabenden und gelegentlichen Flohmarktbesuchen verbringen? Meine Kontakte zur Außenwelt auf die Familie begrenzen? Das kann es doch nicht sein?

Was ist aus meinen Interessen an Filmen und Kunst geworden? Was aus meinem Spaß an Straßenfesten, schönen Geschäften, Kneipenbummel und Tanzen gehen? Wann habe ich das letzte Mal etwas Neues, Interessantes ausprobiert? Neue Orte entdeckt?

Ich empfinde mein Äußeres nun als Ausdruck dafür, dass ich meine Lebenswelt in den letzten Jahren, den Jahren, in denen ich  zugenommen habe, immer mehr reduziert habe.

Dieses Rad muss angehalten werden. Ich reduziere jetzt meinen Umfang und lege dafür an Attraktivität und Aktivität wieder zu. Genau!

Heute fange ich damit an. Ich habe ein Wellness Wochenende zum Geburtstag bekommen und in zwei Stunden fahren wir los. Ein Wochenende im Spa – göttlich. Vorher kaufe ich mir noch einen schönen Badeanzug und vielleicht noch ein bisschen hübsche Wäsche und dann werde ich genießen und eine neue Welt entdecken. Ich freu mich drauf!!!

Gedanken zum Abnehmen

Nachdem unser Besuch heute morgen abgereist war, bin ich ein bisschen durch das Netz gesurft und habe mir Blogs von anderen Frauen angesehen, die Gewicht verlieren.

Ich bin total beeindruckt. So viele tolle und kreative Blogs, so viele Begabungen, die dort sichtbar werden. Einige habe so einen tollen, witzigen, originellen und kreativen Schreibstil, dass ich vor Neid ganz blass werden könnte. Aber ich werde statt dessen lieber  von euch lernen!

Andere teilen die tollsten Kochrezepte mit mir oder  berichten von spannenden Büchern. Wieder andere haben außergewöhnliche Hobbys oder einen scharfen Verstand.

Ist es nicht furchtbar, dem Gewicht und dem Aussehen so viel Bedeutung zuzumessen? Sind all diese Talente und Begabungen nicht so viel wichtiger? Schließlich sind sie es, die ein Blog lesenswert machen und nicht die verlorenen Kilos. Es sind die Fähigkeiten und Geistesgaben der Autorinnen, die das Leben anderer bereichern, nicht ihr Aussehen.

„Dick“, „fett“, „wabbelig“ sind nur Eigenschaftswörter. Jeder Mensch kann mit vielen Eigenschaftswörtern beschrieben werden. Meine Freundin Jacqueline zum Beispiel kann man mit witzig, klug, humorvoll, tatkräftig, intelligent, mütterlich, energiegeladen, hübsch, fett, ordentlich, braunäugig, blond, überpünktlich, lesefreudig, wortgewandt, kreativ, selbstlos und noch vieles mehr beschreiben. Was zählt, ist sie selbst, ihre Persönlichkeit. Deshalb mag ich sie.

Warum fällt es uns oft so schwer, unser Selbstbewusstsein aus unseren Fähigkeiten und Talenten zu beziehen, statt über unser Aussehen und Gewicht? Oder, anders gefragt, wie kann es uns passieren, dass ein Blick in den Spiegel oder eine Zahl auf der Waage uns vergessen lässt, dass wir intelligent, klug, witzig und gebildet sind, gute Mütter und gute Mitarbeiterinnen, freundliche Nachbarinnen, zuverlässige Freundinnen, super Kumpel und noch vieles mehr?

Zu viel Gewicht schadet uns und kann im Extremfall dazu führen, dass wir die Welt nicht all zu lange mit unseren guten Eigenschaften schmücken können. Deshalb ist es schon wichtig, ein gesundes bzw. gesundheitsförderndes Gewicht zu erlangen. Aber unser eigentliches Streben  sollte doch darauf zielen, unsere vielen Talente, Fähigkeiten und Begabungen zu entwickeln und mit den Menschen in unserem Leben zu teilen.

Unsere Lebenszeit vergeht so schnell und was wirklich zählt sind die Menschen, die wir lieben und geliebt haben, die Menschen, mit denen wir  Erlebnisse und Erfahrungen teilen. Was zählt ist, was wir tun. Abnehmen ist nur eines der vielen Dinge, die ich in meinem Leben tue und bei weitem nicht das wichtigste.