Johanniskraut

Liebe Martina,

ich habe mich lange nicht bei Dir gemeldet und Deine Anrufe und Nachrichten ignoriert. Entschuldige!

Weißt Du, seit mindestens einem Jahr, eigentlich seit dem Hausverkauf und Umzug und mit diesem ständigen Mitarbeiterwechsel  habe ich mich immer erschöpfter gefühlt.

Mit fast sechszig  kenne ich mich eigentlich wirklich gut genug, um zu merken, wenn ich in mein altes Muster von Selbstvernachlässigung und dem Gefühl, immer für jeden und alles verfügbar sein zu müssen, zurückfalle. Nur diesmal habe ich es nicht geschafft, rechtzeitig inne zu halten, und ich habe gar nicht gemerkt, wie ich immer tiefer in eine Negativspirale geraten bin.

Mein Kopf war leer. Keine Ideen mehr, worüber ich bloggen könnte, keine Lust mehr zum Malen und Fotografieren. Auf der Arbeit habe ich mich immer wieder dabei ertappt, Dinge vor mir her zu schieben oder im Internet zu surfen. Mehr als einmal hätte ich fast etwas Wichtiges vergessen, in meinen Berichten habe ich massenhaft Fehler gefunden und an manchen Tagen hätte ich am liebsten allein im Keller gearbeitet und niemanden gesehen. Trotzdem bin ich jeden Tag mindestens eine Stunde länger geblieben, um die Zeit, die ich vertrödelt hatte, wieder aufzuholen.

Peer konnte es mir gar nicht  mehr Recht machen. Ich hab nur noch seine Schwächen gesehen. Ich hatte das Gefühl, dass unser Hausprojekt stagniert und dass alles seine Schuld ist. Sogar der Besuch bei Nils war nur noch Pflichttermin und zum Sport konnte ich mich gar nicht aufraffen. Natürlich habe ich meinen Job geschafft und das Haus in Ordnung gehalten, aber es hat mir alles keinen Spaß mehr gemacht.

Klar, es gab auch gute Phasen, aber jede schlechte Phase war schlimmer als die vorherige und die Erholung im Urlaub wirkte nach einer Woche schon nicht mehr. Das Schlimmste war, dass mir irgendwann selbst auffiel, dass ich, egal, ob auf der Arbeit oder zu Hause, nur noch gejammert und gemeckert hab. Auf der Arbeit über die Unfähigkeit der anderen und zuhause über die Blödheit der restlichen Welt. Und natürlich habe ich über jedes meiner Zipperlein geklagt und es dem armen Peer und jedem, der in meine Nähe kam in allen Einzelheiten beschrieben. Wie sie es mit mir ausgehalten haben, ist mir ein Rätsel! Da ist ein Wiedergutmachung angezeigt.

Nein, ich war nicht beim Arzt. Ich habe mir Johanniskraut in hohen Dosen verordnet und die negativen Gedankenschleifen verblassen und der Antrieb kommt allmählich zurück. Ich mache pünktlich Feierabend und schließe tatsächlich einmal am Tag für zwei Stunden die Bürotür zu, um meine Sachen abzuarbeiten. Ich mache mir bewusst, was meine eigentliche Aufgabe ist und delegiere so viel wie möglich. Letzteres fällt mir allerdings noch seeehr schwer.

Es gelingt mir wieder besser, auf mich zu achten, mich halbwegs vernünftig zu ernähren und  zum Sport zu gehen.

Jetzt, wo ich etwas klarer sehe, stelle ich sogar fest, dass ich längst nicht so in Arbeit ersticke, wie ich dachte.

Das Johanniskraut wirkt also. Ich schlafe besser und meine Energie wächst langsam. Ich habe wieder die Kraft, mein Leben ins Gleichgewicht zu bringen. Noch bin ich nicht ganz auf dem Damm, aber ich fühle mich lebendiger, nicht mehr ganz so sehr im Funktionsmodus und ich verbringe wesentlich weniger Zeit auf dem Sofa als vor 6 Wochen. Also, es geht wieder bergauf und beim nächsten Mal habe ich bestimmt ganz viele schöne Sachen zu berichten.

Es grüßt Dich ganz herzlich

Deine Trina

7 Kommentare zu „Johanniskraut

  1. Ich bekam vor einigen Jahren einen guten Hinweis, der sich erst mal nur auf die Massage bezog. Ein Therapeut zeigte uns bei einer Ausbildung, wie man eine Wellnessmassage durchführt und wie man sich selber darauf einstellt. Als ersten wies er auf folgendes hin: „Du musst immer dafür sorgen, dass es dir gut geht“ Damit meinte er, dass man als Masseur stets auf eine gesunde Körperhaltung achten sollte, bevor man mit der Massage beginnt.

    Für mich reichte die Empfehlung weiter und ich übertrug sie auf mein tägliches Dasein. Nur wenn es mir gut geht, kann ich für andere zu 100 % da sein. Nun musste ich nur noch wissen, was mir gut tat und wie ich am besten Energie auftanken und was noch wichtiger ist, wie ich ab besten abschalten konnte..

    LG Ostseemaus

  2. Danke fürs Teilen, liebe Trina. Johanniskraut scheint tatsächlich zu helfen, werde ich also auch bei nächster Gelegenheit auf den Einkaufszettel schreiben. Liebe Grüße, Kerstin

  3. Johanniskraut hilft mir vor allem dabei, aus den Negativgedanken heraus zu kommen und wieder Kraft zu finden, mich um mich selbst zu kümmern. Es ist kein Wundermittel, und es ändert auch nicht die Dinge, die mir Schwierigkeiten bereiten. Ich wünsche Dir sehr, dass das Johanniskraut Dir hilft, Deine Trauer zu verarbeiten und gut über die dunkle Jahreszeit zu kommen. Liebe Grüße, Trina

  4. Ich nehme seit gestern auch wieder Johanniskrautextrakt. Hätte ich seit 1. Oktober machen sollen, die Wirkung setzt ja nicht sofort ein, aber der Sommer war in diesem Jahr so lang, und am 1. Oktober lag ich noch auf Lanzarote unter einem schützenden Sonnenschirm, da wäre es kontraindiziert gewesen. Nein, ich lade mir nicht zu viel auf. Ja, ich weiß, dass Spaziergänge und Waldläufe helfen. Ja, ich halte mich daran. Nein, davon wird niemand wieder lebendig, den ich vermisse. Und nein, die Dunkelheit des Winters verschwindet davon auch nicht. Aber ich hoffe, dank Johanniskraut in ein paar Tagen (Wochen?) die schmerzende Leere in mir drin nicht mehr so sehr zu spüren. Im Sommer ging es schließlich auch! Also – auf einen erträglichen Winter!

  5. Danke! Johanniskraut hat keine Nebenwirkung, außer evtl. erhöhter Sensibilität bei Sonnenstrahlung, was ja im Herbst und Winter nicht so dramatisch ist. Es dauert ungefähr 4 – 6 Wochen bis es seine Wirkung entfaltet. Man sollte ungefähr 900 mg am Tag nehmen und auf gute Qualität achten, die leider nicht so ganz billig ist. Die Dünnhäutigkeit kenne ich auch. Ich werde nächstes Jahr 60 und merke, dass ich deutlich mehr Zeit brauche, um mich zu regenieren, als früher. LG Trina

  6. Die Einnahme von Johanniskraut sollte ich vielleicht auch mal versuchen. Mir ist aufgefallen, dass ich während der vergangenen eineinhalb Jahre so dünnhäutig geworden bin. Gut möglich, dass das mit meiner Krankheit zu tun hat. Gut möglich, dass sich das jetzt, da ich mich dazu entschlossen habe, wegen der gesundheitlichen Probleme vorzeitig in Rente zu gehen, mit der Zeit wieder mildern wird… Aber das ist ein sehr guter Tipp, den ich mir in jedem Fall merken werde.
    Herzliche Grüße!

  7. mein einfacher tipp: sich niemals zu viel aufladen, den falschen ehrgeiz erkennen mit dem boden auf den füßen bleiben… äh – umgekehrt freilich.

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