Zurück im eigenen Leben

Ich bin wieder zuhause.

7 Wochen haben mein Mann und ich bei Theo gelebt und die bizarre Welt eines Alzheimerkranken erlebt. Es war berührend, manchmal komisch und dann wieder verstörend und beängstigend.

An vielen Tagen war Theo desorientiert. Dann kam es auch mal vor, dass er mitten in der Nacht in unserem Zimmer stand und den Weg in sein Schlafzimmer nicht mehr fand. Oft vergaß er, dass er schon gegessen hatte und klagte dann lange darüber, dass er noch kein Mittag bekommen hätte.

Mein Kaffeebecher und seine Brille tauchten an den merkwürdigsten Orten wieder auf: im Kühlschrank oder auf der Werkbank in der Garage. Meine hellen Turnschuhe sind jetzt braun, weil er sie eines Tages mit in den Keller nahm und liebevoll mit brauner Schuhcreme putzte. Sein Gebiss schwamm morgens auch schon mal in Badesalz.

Es war ihm wichtig im Haushalt zu helfen. Einmal beobachtete ich ihn dabei, wie er das Geschirr mit einem Topflappen abtrocknete. Das Handtuch, das vor ihm lag, hatte er nicht erkannt. Theos Verfassung änderte sich von Tag zu Tag.

Es gab gute Tage und Tage, an denen wir uns nicht trauten, ihn auch nur eine Minute aus den Augen zu lassen. Einmal trank er eine große Menge Olivenöl, weil er Durst hatte und Flasche gleich Trinken für ihn war.

Manchmal hasste er uns. Nannte uns Bewacher und fühlte sich durch unsere Anwesenheit gestört. Es gab Momente, da war auch unsere Geduld fast am Ende. Wenn er endlos darüber klagte, dass wir zuviel Strom verbrauchen, wenn er wieder und wieder die gleichen Fragen stellte, wenn er mit uns schimpfte und uns nachts weckte..

Durch Theo habe ich das Erleben eines an Alzheim Erkrankten erfahren. Die Angst, wenn die Welt plötzlich fremd ist, wenn man nicht mehr weiß, wofür die Fernbedienung da ist und wie man den Wasserhahn aufdreht. Die plötzliche Verzweiflung, weil einem bewusst wird, dass man nicht mehr der Alte ist, dass etwas mit einem geschieht, was man sich nicht erklären kann. Die Versuche, dafür eine Erklärung zu finden („ich bin vergiftet worden, als ich damals das Päckchen von der Straße aufhob“). Die vielen Momente, wo ein Gedanke greifbar zu sein scheint, dann aber die Worte fehlen, ihn zu äußern, oder der Gedanke verfliegt, bevor man ihn ganz zu Ende gesprochen hat. Momente, in denen man etwas ahnt und spürt, aber es nicht mit dem Verstand greifen kann. Die Strategien, dies zu verheimlichen, die vielen Phrasen („take it easy“, „das wird schon“, „ist ja nicht so wichtig“), die Normalität vortäuschen sollen. Dazwischen dann aber klare Momente, in denen man sich sorgt, wie es denn weitergehen kann mit einem und die mindestens so viel Angst machen, wie die Schattenwelt, in der man sich meist aufhielt hält.  

Seine Alma vergaßTheo nicht. Immer wieder suchte er sie, fragte nach ihr, sorgte sich um sie. Nun sind die beiden wieder zusammen.

Alma war glücklich, wieder zu Hause zu sein, wirkte entspannt und gut erholt. Während der Wochen im Krankenhaus und in der Reha konnte sie sich mit dem Gedanken, Hilfe für sich und Theo anzunehmen, auseinandersetzen und dies schließlich auch akzeptieren.

Auch in mir und meinem Mann haben diese Wochen einiges bewegt. Die Verbundenheit der beiden alten Leute hat uns tief berührt. Noch einmal ist uns deutlich geworden, wie wichtig Familie, ein Zuhause  und andere Menschen sind. Diese Wochen mit Theo, anstrengend wie sie waren, haben uns auch viel gegeben.

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