Tortenheldinnen (3)

Zuhause lasse ich den Nachmittag noch einmal Revue passieren. Markus war mir sofort unsympathisch gewesen und das nicht nur wegen seiner Bemerkung über mein Tuch. Er setzte alles daran, unser Gespräch zu beherrschen und versuchte, sich als Intellektuellen darzustellen. Schwafelte von der Dichterlesung, die er besuchen wollte und von den Ausstellungen, die er in den vergangenen Tagen gesehen hatte. Mareike hatte nichts gesagt, sondern ihn nur verliebt angesehen.

„Wollt ihr nicht mal über Museumscafés schreiben“, hatte er gefragt und gleich hinzugefügt, dass unser Blog doch sehr davon profitieren könnte, wenn wir auch über kleine, unbekannte Restaurants schreiben würden. „Dann würde ich Mareike und dich bestimmt öfter begleiten, und, wenn du noch jemanden suchst, mit dem du ausgehen kannst, habe ich da noch einen netten Kollegen, mit dem ich dich verkuppeln könnte.“  

Wie immer in solchen Situationen war mir keine passende Bemerkung eingefallen, um ihn in die Schranken zu verweisen, aber meine Wut stieg vom Bauch in die Kehle und ich spürte, wie ich rot wurde. Ich hatte einen Termin vorgeschoben und mich schnell verabschiedet.

Ich überlege, ob ich Mareike anrufen sollte, um ihr meine Meinung über Markus mitzuteilen, aber entscheide mich dagegen. Sie sieht ihn noch durch die rosarote Brille, und vielleicht hat er ja auch nette Seiten und war nur aus Unsicherheit so überheblich. Morgen treffe ich Mareike, dann werde ich sie vorsichtig auf ihn ansprechen.

Ich rufe stattdessen Karla an, meine Tochter. Sie lebt in Berlin und ist immer sehr beschäftigt. Unser Telefonat dauert nur wenige Minuten, aber ich erfahre immerhin, dass sie eine neue Frisur hat, einen ganz modernen Schnitt, raspelkurz, und dass sie es nicht schaffen wird, vor Weihnachten noch zu Besuch zu kommen. Manchmal verstehe ich Karla nicht. Sie lebt genügsam und versteht meine Leidenschaft für Cafés überhaupt nicht.

Ich fühle mich plötzlich allein.

Da ich die letzte Etüde verpasst habe, habe ich die Wörter (Schnitt, rot, beherrschen) mit den Wörtern von heute https://365tageasatzaday.wordpress.com/2023/03/05/schreibeinladung-fuer-die-textwochen-1011121323-wortspende-von-werner-kastens/(Dichterlesung, genügsam und verkuppeln) kombiniert. Danke Christiane für diese Etüden!

Besuch bei Muttern

Ich liebe meine Mutter. Aber manchmal verstehe ich sie nicht.

Schlank sein war für sie immer von besonderer Bedeutung. Noch heute, mit 76 Jahren verkündet sie stolz, dass sie 3 kg abgenommen hat, seit sie die neuen Tabletten nimmt. Dabei trägt sie, solange ich sie kenne, Größe 38.

Über Frauen, die dick sind, redet sie eher abfällig: „… so würde ich mich ja nie gehen lassen“ oder „…. man kann doch ein bisschen auf sich achten….“

Es fällt ihr sofort auf, wenn jemand zugenommen hat. „Nicole hat aber ganz schön zugelegt, mal sehen wie lange Timo das wohl mit ansieht….“.

Schlank sein ist für sie ein Synonym für Erfolg, Attraktivität und Selbstdisziplin

Nun hat sie natürlich ein Problem mit mir. Ihre Tochter ist dick geworden. Zum Vorzeigen nicht mehr geeignet.

Zu Ostern hat sie mir Almased geschenkt.

Kurz vorm Urlaub hat sie mir Fischölkapseln verabreicht. „Ingrid hat schon 7 kg abgenommen, seit sie die nimmt, weil sie dadurch überhaupt keinen Hunger mehr hat“.

Ich spreche nur ungern über mein Gewicht mit ihr. Sie behandelt mich dann, als sei ich schwer krank. „Sprich doch mal mit deinem Arzt, das er dir mal was verschreibt, dass das Wasser aus den Körper treibt.“ „Das ist ja nicht normal bei dir, lass dich doch noch mal gründlich untersuchen…“ Dazu dann ein besorgter und mitleidiger Blick…

Und heute, als ich wieder mal 130 km gefahren bin, um sie zu besuchen, da stellt sie einen noch warmen, frisch gebackenen, herrlich duftenden Pflaumenkuchen mit Bergen von Schlagsahne vor mir hin. „Den isst du doch so gerne…“

Wie bin ich froh, dass ich schon über 50 bin und die Spielchen, Macken und Widersprüchlichkeiten meiner Mutter kenne und mit ihnen im Reinen bin.

Vor 15 Jahren wäre mir sonst heute nämlich der Kragen geplatzt.