Ich habe eine Schreibblockade. Ich würde gern etwas Tiefsinniges und Anspruchsvolles schreiben, aber zurzeit fehlt mir Klarheit. Zu viele Dinge beschäftigen mich. Da war dieser Konflikt am Arbeitsplatz in der vergangenen Woche. Der Vorschlag der Geschäftsleitung, ausgerechnet der Kollegin, mit der ich noch nie gut konnte, einen Teil meiner Aufgaben zu übertragen, damit ich mich auf meine Kernaufgaben (und, es hängt in der Luft, neue Projekte) konzentrieren kann. Der Gedanke, einen Teil meiner Aufgaben abzugeben, gefällt mir. Der Gedanke, künftig noch weniger mit Klienten zu arbeiten, missfällt mir. Der Gedanke, ausgerechnet dieser Frau, die ich als unecht und manipulierend erlebe, etwas zu überlassen, erfüllt mich mit Missbehagen.
Meine Mutter schüttet mir ihr Herz aus. Mein Bruder ist mit einer neuen Lebensgefährtin in eine andere Stadt gezogen. Seine Kinder haben Probleme, und sie sorgt sich um ihre Enkel und ist traurig, dass er nun so weit weg lebt. Meine Nichte hat mir von ihren Nöten erzählt, mein Neffe ist mir fremd geblieben. Er lebt mit seiner Mutter weit entfernt von uns. Seine beiden Geschwister leben in meiner Heimatstadt, dort, wo auch meine Eltern noch leben. Wie sehr will ich mich nun einbringen? Mein Bruder und ich hatten einander lange nichts zu sagen, nun sucht er Kontakt. Was bedeutet Familie? Meine Söhne haben eine Bindung zu ihrem Vater und seiner Lebensgefährtin und sie halten den Kontakt zu ihren Großeltern und Cousins. Das über Landes- und Sprachgrenzen hinaus. Ich habe noch ein bisschen Kontakt zu meiner ehemaligen Schwiegermutter, die ich sehr mag, und Bindungen zur Familie meines Lebensgefährten. Meine Mutter steht mir nahe und ihre vielen Geschwister, zu denen auch Theo gehört, treffe ich bei jeder Familienfeier.
Warum fühle ich mich nun verpflichtet, meiner Nichte zu helfen und auch meinem jüngsten Neffen, obwohl wir uns nur selten gesehen haben, also eigentlich keine wirkliche Beziehung haben? Ihr Schicksal berührt mich trotzdem. Gleichzeitig zögere ich. Wenn ich mich jetzt einbringe, kann ich es dann auch auf Dauer aufrechterhalten? Oder werde ich nur eine weitere Enttäuschung in ihrem Leben, wenn mein eigenes Leben mich irgendwann wieder so in Anspruch nimmt, dass ich sie darüber vernachlässige?
Überhaupt, was ist Familie eigentlich? Wir sind alle so verschieden, haben uns meist gar nicht viel zu sagen und hängen trotzdem aneinander. Ist Blut also doch dicker als Wasser?
Nach dem Besuch meiner beiden Söhne,vermisse ich sie. Als sie das Haus verließen, empfand ich das zunächst als Chance – endlich Zeit für mich! Erst nach einigen Monaten wurde mir klar, dass sie nicht mehr als Kinder zurück kehren, sondern als Besucher, die es eilig haben, wieder in ihr eigenes Leben zurückzukehren. Jeder Besuch ist schön und innig, und immer viel zu kurz.
Meine Arthrose piesackt mich und erinnert mich daran, dass ich nicht nur aus optischen Gründen abnehmen will. Es erschreckt mich, wie unbeweglich uns steif ich bin. Gestern war ich zum ersten Mal in diesem Jahr im Garten, habe altes Laub weggeharkt, und konnte abends kaum noch kriechen.
Ich wünsche mir mehr Zeit für mich. Für Sport, Bewegung, Gartenarbeit. Ich möchte mehr lesen und all die Filme gucken, über die ich gelesen habe. Ich möchte mehr schreiben und neue Kochrezepte (fett- und kalorienarm 🙂 ) ausprobieren. Ich möchte mir andere Städte und Länder ansehen. Meditieren. Diskutieren. Neues Lernen. Die tägliche Tretmühle hindert mich, all dies umzusetzen. Wie wichtig ist mir meine Arbeit? Wie viel meiner Energie will ich ihr geben? Wie schaffe ich es, vollen Einsatz am Arbeitsplatz zu bringen und genug Zeit für meine eigenen Ziele zu haben? Und wo bleibt mein Partner bei all dem? Was bedeutet eigentlich Partnerschaft? Wie viel Zeit braucht unsere Partnerschaft? Ist dieses friedliche Nebeneinanderleben genug? Machen wir uns vielleicht etwas vor? Woher kommt mein Bild von Partnerschaft? Ist es realistisch?
Dankbarkeit ist ein anderes Thema. Warum nur bin ich oft so unzufrieden mit dem Ort, an dem ich lebe, mit meinen Lebensumständen? Langsam erkenne ich, dass es ein großes Glück ist,so leben zu dürfen. Bei schönem Wetter die Wahl zu haben zwischen Arbeit im Garten und Entspannen auf der Terrasse. Keine Nachbarn unter mir zu haben, die sich über den Lärm, die meine Schritte auf dem Parkett machen, zu beschweren. Meine Reise nach Berlin, hat mir gezeigt, dass es reicht, hin und wieder in der Großstadt rumzubutschern, um danach die Ruhe und Freiräume hier draußen schätzen zu können. Ich schmiede Pläne, wie ich Haus und Garten zu einem Ort des Wohlbehagens verwandeln kann. Dazwischen nagt wieder die Unzufriedenheit an mir. Kein Kino in der Nähe, keine schönen Geschäfte, keine Menschenmassen.
Ostern und in den drei Tagen danach habe ich Süßes gegessen. Nun fällt es mir schwer, wieder darauf zu verzichten. Mein Körper fühlt sich belasteter an, seit ich wieder Zucker gegessen habe. Die Erfahrung zeigt mir, dass Zuckerhaltiges Gift für mich ist und suchtartiges Verhalten bei mir auslöst. Vielleicht fällt es mir deshalb so schwer, klar zu sehen…