Ich und die anderen

Writing101 Day 5, Writing101: Today, use a quote or passage from something you’ve read to introduce your post.

„The only person I can be better than is he person I was yesterday“*

Der einzige Mensch, dem ich überlegen sein kann bzw. zu dem ich im Vergleich besser sein kann, ist der Mensch, der ich gestern war.

So in etwa kann ich dieses Spruch, den ich im ‚Pocket Sponsor‘ gefunden habe, übersetzen. Der Spruch gefällt mir, denn wie so viele Menschen ertappe ich mich selbst hin und wieder dabei, dass ich mich aufwerte, indem ich andere abwerte. Der Spruch  erinnert mich daran, dass es überheblich ist, andere Menschen zu bewerten. Jeder ist, wie er ist, und welche Geschichte ihn dorthin geführt hat, wo er grade steht, kann ich nicht beurteilen. Es steht mir schlicht und ergreifend nicht zu, andere Menschen nach meinem eigenen Wertesystem zu be- oder gar verurteilen.

Menschen zu bewerten, macht es unmöglich, mich anderen wirklich nahe zu fühlen, mich als Teil des Ganzen zu verstehen. Solange ich Menschen bewerte, sehe ich sie vor allem unter dem Aspekt, ob sie besser oder schlechte dastehen als ich, beliebter, talentierter oder erfolgreicher sind. Ich sehe die Menschen als Maßstab, an dem ich mich messe. Hier diejenigen, denen ich mich unterlegen fühle, die mich an meinem (Selbst)-wert zweifeln lassen und dort jene, denen ich mich überlegen fühle, die mir mein Gefühl von Größe zurückgeben.

Diese Haltung führt zur Einsamkeit. Ich kann mich nicht auf den anderen einlassen, wenn ich immer Angst haben muss, dass er mein Selbstwertgefühl verletzt. Ich kann höchstens danach trachten, von als „besser“ empfundenen Menschen akzeptiert zu werden und mich durch die Beziehung zu ihnen aufzuwerten. Der Preis ist jedoch hoch. Denn um von diesen „besseren“ Menschen akzeptiert zu werden, werde ich mich ihnen anpassen, versuchen, mitzuhalten, sei es materiell oder indem ich mein Verhalten, meine Einstellungen und Werte ihren anpasse. Dies geht auf Kosten meiner eigenen Persönlichkeit, denn ich lebe stets in der Angst, dass die anderen herausfinden, dass ich doch nicht so „gut“ bin wie sie. Angst ist ein schlechter Nährboden für die Entwicklung meiner Persönlichkeit.

Ich verliere meine Persönlichkeit ebenso, wenn ich mich denen zuwende, die ich als unterlegen empfinde. Mich ihnen als Helfer, Retter, Beschützer, Wegweiser zur Verfügung stelle oder mich als Richter, Spötter oder Kritiker präsentiere. Ich werte mich auf, indem ich mich überlegen fühle. Das ist gefährlich. Zum einen kann ich in eine „Helferrolle“ fallen, indem ich meinen Selbstwert davon abhängig mache, von den anderen in dieser Rolle bestätigt zu werden. Was aber, wenn sie diese Hilfe gar nicht wollen? Oder gar mit meiner Hilfe über mich hinauswachsen. Dies ist eine ständige Bedrohung meines Selbstwertgefühls, was dazu führt, dass meine Hilfe oder mein Schutz nicht ehrlich sind, sondern den anderen kleinhalten und kontrollieren wollen.

Die Rolle des Kritikers, Spötters und Richters tut mir ebenso nicht gut. Wenn ich die Fehler und Unzulänglichkeiten anderer anprangere, darf ich mir selbst keine Fehler erlauben. Ich werde rigide an meinen Werten und Einstellungen und Verhaltensmustern festhalten müssen und nehme mir so den Raum mich weiterzuentwickeln, indem ich aus Fehlern lerne und flexibel in meiner Lebensgestaltung bin.

Danach zu streben, besser dazustehen als andere, hält mich davon ab, mich selbst zu entfalten,  meine Persönlichkeit, meine Fähigkeiten und Begabungen und meine innere Haltung zu entwickeln.

Ich glaube, es gibt nur einen Weg: andere zu akzeptieren, wie sie sind, mich selbst zu akzeptieren, wie ich bin und mich auf meine eigene geistige, seelische und spirituelle Entwicklung und auf eine gesunde und positive Lebensgestaltung zu konzentrieren. Zu schauen, wie ich mich in die Gemeinschaft einbringen kann, wo meine Hilfe gebraucht wird, wo ich etwas Positives beitragen kann. Dann kann es mir gelingen, tatsächlich ein „besserer“ Mensch zu werden, als ich es vor einigen Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren war.

*Zitat aus „Pocket Sponsor, 24/7 Back to the Basics Support, The Fellowship and Shelly Marshall, Kindle Edition”

3 Kommentare zu „Ich und die anderen

  1. Sehr treffend diese Ausführungen, ja das ist wohlmeinende und ich habe sehr lange gebraucht um das zu verstehen, das hat wohl auch etwas mit Alter und Lebenserfahrung zu tun. Vieles muss man sich auch immer wieder vergegenwärtigen, um es dann umzusetzen. Aber ich lebe seit dem ohne schlaflose Nächte, jeden Tag sehe ich als gut genutzt und ich bin nicht alleine, nicht in der Familie, nicht bei Kollegen und Freunden. Das finde ich sehr zufriedenstellend 😊

  2. Wir sind allesamt keine Engelein, sondern haben unsere Fehler, Macken und Tücken. 😉 Und ich denke mal, die Mitmenschen bewerten, kritisieren, herab- oder heraufsetzen liegt uns seit Olims Zeiten in den Genen oder im Blut, dagegen kann man manchmal nur schwer an. Es hat aber überhaupt keinen Sinn, sich deswegen innerlich zu zerfleischen. Seitdem ich mir dessen voll bewusst bin, dass ich eine mäkelnde, störrische, ungemein sture Besserwisserin mit einem gewissen Hang zur Arroganz sein kann, komme ich mit mir besser zurecht, und habe auch keine unruhigen Stunden bzw. Nächte mehr, in denen ich mich zermartere, weil ich angeblich so ein furchterbarlich schlechter Mensch bin. Allerdings heisst das nicht, dass ich nun träge geworden bin und nicht mehr an mir arbeite. Aber eben weil ich mir dessen voll bewusst bin, dass ich hier und da ein Miststück ersten Ranges sein kann, gelingt es mir, gezielter dagegen vorzugehen. 😉
    Das sind ein wenig krause Gedanken, aber ich bin sicher, du verstehst, was ich meine.
    Herzliche Grüße!

  3. Der Artikel ist einfach toll. Beobachten und nicht bewerten. Das darf auch ich tagtäglich im Umgang mit verschiedenen Hierarchiestufen zugehöriger Menschen trainieren. Ich versuche es als Chance zu sehen, mit der Unterschicht und der Oberschicht zu tun zu haben. Gleichzeitig will ich in die Oberschicht oder wenigstens nicht abrutschen in die Unterschicht. Da geht es den anderen Lesern sicher ähnlich?

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