Berufswunsch: „etwas Kreatives“

 

Wenn ich unsere Klienten im Erstgespräch frage, was sie künftig beruflich  machen möchten, antworten viele von Ihnen “etwas Kreatives”. Frage ich, was für eine Tätigkeit das denn sein könnte, erhalte ich meist nur ein hilfloses Schulterzucken zur Antwort.

Im Laufe der Jahre habe ich erkannt, dass hinter dem Wunsch, etwas Kreatives zu machen, oft langjährige Arbeitserfahrungen stehen, die als monoton, anstrengend und wenig erfüllend erlebt wurden. Arbeit, die aus Sicht unserer Klienten zu ihrer psychischen Erkrankung beigetragen hat. Das künftige Arbeitsleben soll nun anders werden, eben ‚kreativ‘.

Unsere Klienten erhoffen sich selbstbestimmtes Arbeiten, den Umgang mit schönen Dingen, mit Farbe, Musik, Texten oder Fotos, sie möchte eigene Ideen entwickeln und umsetzen dürfen und Erfüllung in ihrer Arbeit finden. Sie wollen keinen Zeitdruck mehr und in Ruhe “ihr Ding” machen.

Während der Zeit bei  uns erkennen die meisten , dass dies selbst in den sogenannten kreativen Berufen ein Wunschbild bleibt. Aber eigentlich geht es ihnen  ja  auch gar nicht darum, beim Fernsehen, in der Werbeagentur, als Schriftsteller oder Kunstmaler zu arbeiten.

In der Psychotherapie sind viele unserer Klienten seit langer Zeit wieder mit ihren eigenen Bedürfnissen und Gefühlen in Kontakt gekommen. Sie haben sich selbst wieder gefunden und fürchten, sich noch einmal zu verlieren, wenn sie wieder in so einer „Tretmühle“ landen sollten.

Auch ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass der  Wunsch und der Drang, etwas ‚Kreatives‘ zu machen,  umso intensiver ist, je mehr ich  mit mir selbst in Kontakt bin. Dann kommen die Ideen und die Einfälle von alleine, sie sprudeln gradezeu. Wenn ich meine  Kreativität zuhause oder am Arbeitsplatz fließen lasse, dann vergesse ich mich selbst und bin gleichzeitig ganz eins mit mir. Ich  fühle mich  glücklich und bin trotz Anstrengung entspannt und das Schaffen ist mir in diesen Momenten wichtiger als das Ergebnis. Das kann passieren, während ich ein Konzept für ein Seminar ausarbeite oder zuhause ein Blumenbeet anlege.

Umgekehrt kann es mir aber auch passieren, dass ich erst in Kontakt zu mir komme, wenn ich eine Arbeit beginne. Zum Beispiel arbeite ich lustlos, weil es eben gemacht werden muss, im Garten,   und während ich dann vor mich hin wusel, verändert sich etwas in mir, ich platze fast vor lauter Einfällen, wie ich meinen Garten anders gestalten kann  und plötzlich bin ich ganz bei mir und gehe in meinem Tun auf.

Manche nennen dies “Flow”. Der eine findet ihm beim Malen, der andere, während er versucht, einen alten Motor zum Laufen zu bringen, was  durchaus auch  kreative Fähigkeiten erfordert.

Nach meiner Erfahrung ist  Kreativität  ein Wesenszug, der jedem von uns innewohnt.   Schöpferisch  und selbstbestimmt zu gestalten und dabei  ein Stück Selbstentfaltung zu erleben,   halte ich für ein menschliches Grundbedürfnis.

Unsere Klienten haben diesen Wesenszug  und ihr Bedürfnis nach schöpferischem Schaffen wieder gefunden und das Bedürfnis, dies  künftig auch in ihrem Beruf leben.  Das ist, finde ich, etwas sehr Positives. Auch wenn die Vorstellung unserer Klienten davon, wie dies in der Arbeitswelt umgesetzt werden kann, meist von Wunschdenken geprägt ist, habe ich  schon lange aufgehört, innerlich die Augen zu verdrehen, und “schon wieder so ein Wirklichkeitsfremder” zu denken. Vielmehr geht es darum, diese Schaffensfreude zu nutzen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie jeder einzelne diese Kreativität Arbeitsalltag und zuhause leben kann. 

2 Kommentare zu „Berufswunsch: „etwas Kreatives“

  1. Nach diesem Flow könnte ich süchtig werden. Leider lässt er sich nicht erzwingen. Ich bin sehr glücklich, dass ich einen Job habe, bei dem ich sehr eigenverantwortlich arbeiten kann. Gibt zwar auch immer mal Stress und Knartsch, aber das gehört dazu.

    Wünsche Dir eine gute Woche mit gaaaaaanz vielen Möglichkeiten, Dich kreativ auszutoben.
    LG Trina

  2. Oh ja, ich kenne diesen „Flow“ auch.
    Selbst bei meiner -oft sehr drögen- Arbeit in der IT.
    Wenn ich einfach mal vor mich hin prötteln kann, ausprobieren kann und gucke, was passiert, wenn ich hier und da was verändere, wenn ich so etwas schneller, nutzerfreundlicher, übersichtlicher gestalten kann, dann macht die Arbeit richtig Spaß.
    Muss ich aber nur „Tickets“ abarbeiten, weil Herr X meint, ein Logo soll nun blau statt grün ausgegeben werden und Frau Y mal wieder Programmabbrüche durch Quatscheingaben produiziert, dann fehlt das Kreative, das Eigenverantwortliche und damit schwindet auch immer wieder der Spaß und das Tretmühlengefühl tritt auf.

    Jedenfalls, was ich sagen will (und was Du schon tausendmal besser gesagt hast): Kreativität kann man in so gut wie jedem Aufgabenfeld finden, man muss sich nur erst mal drauf einlassen. 🙂

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