Kennt Ihr das?
Ihr geht froh gestimmt und ausgeglichen ins Bett und wacht am nächsten Morgen niedergestimmt auf. Der Kopf und die Glieder sind schwer, der Tag erscheint überhaupt nicht verheißungsvoll. Ihr quält Euch ins Bad, schaut in den Spiegel und seht müde Augen und ein verquollenes Gesicht. Der Körper fühlt sich bleischwer an, die Gedanken sind verschwommen.
Ihr folgt Eurer Routine: duschen, Zähne putzen, frühstücken, geht zur U-Bahn oder steigt ins Auto, fahrt zur Arbeit. Alles wie ferngesteuert. Ihr seid weder traurig, noch wütend, noch fröhlich oder glücklich. Sondern einfach nur wie betäubt und leer.
Was ist das? Niedriger Blutdruck? Überbleibsel von schweren Träumen aus der Nacht? Einfach nur ein Signal des Körpers, dass er Ruhe braucht? Oder habe ich etwas gegessen oder getrunken, das mir nicht bekommen ist? Könnte es der Wetterumschwung sein?
Ich weiß es nicht. Aber ich bin gestern genau so erwacht. Habe mich durch die ersten Stunden des Tages gequält. Kaffee und noch mehr Kaffee getrunken, um wach zu werden. Mich gereckt und gestreckt, um den Körper zu wecken, aber ich fühlte mich trotzdem noch schwer, beladen, unbeweglich und steif. Körperlich und seelisch.
Auf der Arbeit funktionierte ich auf Sparflamme. Erst nach dem Mittagessen ging es mir langsam etwas besser. Die Energie kehrte zurück, der Kopf wurde klarer. Ich beschloss, früh nach Hause zu fahren und einen langen Spaziergang durch die Feldmark zu machen. Die frische Luft, die Bewegung, mein Hund, der mich zum Spielen aufforderte, taten gut und den restlichen Abend fühlte ich mich wieder wie ich selbst.
Heute morgen wachte ich ausgeruht und ganz bei mir auf. Trotzdem hat mich der gestrige Tag nachdenklich gestimmt.
Ist es wirklich realistisch, von sich selbst zu erwarten, immer gleichmäßig gut und wohl gelaunt zu funktionieren? Wie wäre es wohl, wenn ich jeden Tag so aufwachen würde? Benommen und ohne Energie? Viele Besucher unserer Einrichtung berichten, dass sie es während der schlimmsten Phase ihrer Depressionen nicht mehr schafften aufzustehen oder auch nur die kleinsten Dinge des Alltags zu erledigen, wie zum Beispiel sich zu waschen. Zu schwer war der Körper, zu kraftlos und niedergestimmt die Seele. Der Tag gestern hat mir einen Hauch dieser Schwere vermittelt.
Wie gut habe ich es da, dass ich nur alle paar Monate mal so einen dunklen Tag habe! Ganz bestimmt hat so ein Tag seine Berechtigung, und sei es nur, um uns zu zeigen, dass das Leben sich auch ganz anders anfühlen kann.