Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf

…. dieses Thema Selbstliebe. Ich bitte also um Nachsicht, wenn ich mich hier wiederhole.

Schon sehr früh habe ich die Einstellung entwickelt, dass die Bedürfnisse und Gefühle anderer  Menschen wichtiger sind als meine eigenen und dass es in meiner Verantwortung liegt, dafür zu sorgen, dass alle, aber insbesondere die Männer in meinem Leben einschließlich meiner Vorgesetzten,  glücklich und zufrieden sind.

Ich habe viele Jahre recht zufrieden und einigermaßen erfolgreich mit diesen Einstellungen gelebt. Bis ich  in eine Lebenskrise glitt. Einige Jahre war ich vor allem unzufrieden und unglücklich, litt unter Schuldgefühlen und fühlte mich in einer Sackgasse. Ich steckte meine ganze Energie in die Arbeit, wo ich mich als kompetent und in Kontrolle erlebte, und nahm 25 kg zu.

Meine Arbeit stabilisierte mich in dieser Phase, und, da ich in einem helfenden Beruf arbeite, der es notwendig macht, immer auch meine Motive und mein eigenes Verhalten zu reflektieren, war mir durchaus auch bewusst, was ich da so trieb. Also begann ich, bei mir selbst das zu praktizieren, was ich sonst gern anderen nahe lege: Selbstliebe.

Dadurch hat sich mein Leben nicht wie durch ein Wunder verändert, aber ich beschäftige mich nun weniger mit meinen Defiziten und Mängeln, als damit, wie ich mein Leben erfüllt leben kann

Ich übe, mich selbst bedingungslos anzunehmen und liebevoll und fürsorglich mit mir umzugehen. Selbstliebe bedeutet für mich, die Verantwortung für mein Wohlergehen und mein Leben zu übernehmen. Dabei merke ich, dass ich gleichzeitig ein anderes Verständnis und eine andere Art der Toleranz und Akzeptanz anderen Menschen gegenüber entwickle. Je besser ich mich selbst liebenlerne, desto besser kann ich auch mein Gegenüber so annehmen, wie es ist oder sich grade verhält.

Selbstliebe zeigt sich in Taten, darin, wie ich mit mir selbst im Alltag umgehe und in der Haltung, die ich mir gegenüber einnehme.

Natürlich gelingt es mir nicht jeden Tag, Selbstliebe, so, wie ich sie grade beschrieben habe, zu praktizieren. Ich bin ein Mensch und damit fehlbar, aber es gelingt mir immer besser, zu entdecken, was Selbstliebe alles beinhaltet und das macht mich glücklich.

Um mir darüber schlüssig zu werden, wie ich liebevoll mit mir umgehen kann, frage ich mich oft, was ich mir wohl raten würde oder was ich wohl für mich tun würde, wenn ich meine aller, allerbeste Freundin oder eine liebevolle, fürsorgliche Mutter wäre, die ihre Tochter bedingungslos unterstützt.

Würde eine fürsorgliche Mutter von  ihrer Tochter Höchstleistungen erwarten, wenn diese müde und quengelig ist? Wohl eher nicht. Sie würde ihr helfen, das Notwendige zu tun, z. B. indem sie ihr gut zuspricht und dann so schnell wie möglich dafür sorgen, dass sie sich ausruhen oder zurückziehen kann.

An diesem Wochenende übe ich das auch. Zurzeit brennt es auf der Arbeit an allen Ecken, mein Vater braucht in der  letzten Zeit viel Unterstützung und auch sonst jagen ein Ereignis und ein Termin den anderen. Solche Phasen kommen immer mal wieder vor  und gehören  zum Leben dazu. In meinem inneren Dialog bestätige ich mir, dass ich zurzeit mehr auf dem Teller habe als sonst und  sage mir, dass es deshalb umso wichtiger ist, gut auf mich selbst zu achten. Ich bestätige mir, dass ich belastbar bin und auch diese anstrengende Phase meistern werde.  Ich mache mir bewusst, wie viel ich jeden Tag geschafft habe und was ich gut gemacht habe. Ich achte darauf mindestens  einmal am Tag die Tür zu meinem Büro zuzumachen, tief Luft zu holen meine Schultern zu entspannen. Ich schicke mich selbst früh ins Bett und erlaube mir, die üblichen  Haushaltspflichten am Wochenende auf ein Minimum zu reduzieren. Ich sorge dafür, dass ich mich gut erhole und innerlich Abstand zum Alltag gewinne, indem ich ausschlafe, schöne Filme gucke, lese und lange spazieren gehe, eben alles tue, was mir Kraft gibt und mich entspannt. Denn morgen, am Montag beginnt wieder eine volle Arbeitswoche und auch im Privaten steht noch einiges an.

Sich selbst zu lieben bedeutet ja nicht, sich dem Leben zu entziehen  und eine Schonhaltung einzunehmen,  sondern in liebevoller Haltung sich selbst gegenüber das Leben in die Hand zu nehmen.

Ich habe große Lust, noch mehr über ‚Selbstliebe‘ zu schreiben. Würde Euch das interessieren?

Die innere Landkarte

Wir alle erwerben in unserer frühsten Kindheit innere Überzeugungen, sowie ein Bild von uns selbst. Es ist ein komplexer Prozess, der aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren besteht, bei dem unsere genetische  Ausstattung, die Kultur, in der wir leben und das Milieu, in dem wir aufwachsen ebenso eine Rolle spielen, wie unsere Eltern und andere Bezugspersonen. Die stärksten Glaubenssätze werden zwar in der frühen Kindheit geformt, aber während unseres ganzen Lebens können neue Glaubenssätze hinzukommen oder bestehende verändert werden. Unsere  Glaubenssätze beeinflussen unser Verhalten oft unbemerkt und verführen uns dazu, immer wieder die vertrauten Wege zu gehen, so dass sie letztendlich eine treibende Kraft bei der Ausformung unserer Lebensmuster sind.

Meist sind uns unsere Einstellungen und Verhaltensmuster  nicht bewusst und wir beginnen erst dann, uns mit ihnen zu beschäftigen, wenn sie beginnen, unser Leben zu stören.

Deshalb kann es sinnvoll sein, sich mit unseren inneren Glaubenssätzen oder Überzeugungen auseinanderzusetzen, wenn  wir uns immer wieder mit dem gleichen Dilemma konfrontiert sehen oder gar in eine Lebenskrise geraten.

So eine Lebenskrise kann z. B. der sogenannte Burn-out sein, hinter dem sich oft Glaubenssätze wie  „ich muss immer perfekt sein“, „ich darf nicht um Hilfe bitten“, „ich muss immer Höchstleistungen erbringen“, „ich darf keine Fehler machen“ usw.  verbergen.

Es ist aus meiner Sicht falsch, unseren Eltern die Schuld an unseren Problemen im Erwachsenenleben zu geben. Neben ihnen sind noch viele andere Menschen an der Ausbildung unseres Selbstbildes und unserer Muster beteiligt und Versäumnisse der Eltern können durch positive Erlebnisse mit anderen wichtigen Personen kompensiert werden, ebenso wie eine destruktive Beziehung in späteren Jahren ein eigentlich stabiles Selbstwertgefühl ins Wanken bringen kann.

Weiterhin dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Eltern uns nur das geben konnten, was sie selbst wussten und besaßen. So wurden meine Eltern kurz vor Ausbruch des Krieges geboren und wuchsen im Krieg und den Nachkriegsjahren auf. In dieser Zeit ging es ums Überleben und die emotionalen Bedürfnisse der Kinder spielten in diesen Zeiten keine große Rolle. Aber auch  jedes Kind legt  die Signale der Umwelt seiner eigenen Disposition entsprechend aus.

Ein Kind, das mit Erwachsenen aufwächst, die ihm erst Aufmerksamkeit schenken, wenn es auf sich aufmerksam macht, entwickelt vielleicht den Glaubenssatz, besondere Leistungen erbringen zu müssen, um anerkannt zu werden, oder aber die Überzeugung,  besonders heftig auf sich aufmerksam machen zu müssen,  um bemerkt zu werden,  es könnte aber auch meinen, dass es sowieso aussichtslos ist, die Aufmerksamkeit wichtiger Menschen zu bekommen.

Lebensmuster und unsere Einstellungen sind weder gut noch schlecht. Wir haben sie ausgebildet, um in dem Milieu, in dem wir herangewachsen sind, optimal zurecht zu kommen. Im günstigen Fall helfen sie uns lebenslang, im ungünstigen Fall ändern sich die Lebensbedingungen und das Muster passt nicht mehr so richtig. Wir ecken an oder beginnen, uns damit selbst Schaden zuzufügen.

Die meisten von  uns haben ein paar innere Glaubenssätze, die uns als Erwachsene im Weg stehen oder uns schaden. Wenn wir uns mit den Gründen für unser Essverhalten auseinandersetzen, findet man sicherlich den einen oder anderen. Die gute Nachricht ist, dass man diese Glaubenssätze durch gesündere, für uns hilfreiche Glaubenssätze ersetzen kann. Dann wird aus dem Glaubensatz: „ ich darf die Erwartungen anderer nicht enttäuschen, (in dem ich nur 1 Stück Kuchen esse)“ zu dem Glaubenssatz: „ich darf ehrlich sagen, was ich möchte“. Wenn man noch eine Ebene tiefer geht, erkennt man vielleicht, dass hinter der Überzeugung „ich darf die Erwartungen anderer nicht enttäuschen“  ein Glaubenssatz steht, der ungefähr so lautet wie  „ich bin dafür verantwortlich, dass sich jeder gut fühlt“ oder „wenn ich nicht tue, was andere von mir erwarten, bin ich schuld daran, dass es ihnen schlecht geht“. Dieser kann dann ebenfalls ersetzt werden, indem man z. B. erkennt  „ich bin für meine Gefühle verantwortlich und mein Gegenüber ist für seine Gefühle verantwortlich“.

Natürlich ist es nicht leicht, einen Glaubenssatz zu verändern. Es macht Angst, fühlt sich zunächst fremd und unpassend an und führt meist dazu, dass unsere  Umwelt irritiert reagiert, wenn wir uns anders verhalten als gewohnt, lieb und teuer. Auch dauert es eine längere Zeit und erfordert beständiges Üben, eine Überzeugung, die man über Jahrzehnte gepflegt hat, durch eine neue zu ersetzen. Das geht leider nicht über Nacht.

Menschen, die unter Depressionen, Ängsten und anderen psychischen Störungen leiden oder Menschen, die durch ihre Glaubenssätze sehr beeinträchtigt werden, brauchen meist professionelle Hilfe in Form einer Psychotherapie, die hilft, die Glaubenssätze aufzudecken und durch neue zu ersetzen. In vielen Fällen können wir uns jedoch selbst helfen, denn schließlich sind wir nun alle erwachsen und können bewusst darüber nachdenken, was für uns richtig und stimmig ist.