7 Jahre

Vor etwas mehr als 7 Jahren habe ich diesen Blog begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war ich unzufrieden mit meinem Gewicht und wollte abnehmen. Der Blog sollte mich  bei der Stange halten, indem ich meine Gedanken und Einsichten zum Thema Essverhalten reflektierte. Natürlich wollte ich auch mit Erfolgen glänzen, aber das gelang mir nicht, ich wiege immer noch genau so viel wie vor 7 Jahren.  Statt dessen rückte das Thema „Selbstannahme“ und „Selbstliebe“ immer mehr in den Fokus meiner Beiträge. Ein schier unerschöpfbares Thema, das mich auch heute immer mal wieder bewegt. Irgendwann aber war ich es müde über dieses Thema zu schreiben. Mir fiel schlichtwegs nichts Neues und Interessantes mehr ein. Seither suche ich vergeblich nach „meinem Thema“.

Ich schreibe gern. Schreiben gibt mir Klarheit und verschafft mir so manches Mal Erleichterung, wenn ich mit mir und meinem Leben nicht im Reinen bin. Je länger ich blogge, desto höher sind aber auch meine Ansprüche an mich selbst geworden. Ich möchte mich nicht in Belanglosigkeiten ergehen, sondern wünsche mir, dass jeder Leser aus den Texten etwas mitnimmt oder sich vielleicht auch in dem, was ich schreibe, wiederfindet. Dem steht die Angst gegenüber, mich „nackt“ zu machen und damit angreifbar und verletztlich und die Sorge die Leser womöglich durch ständiges Jammern und Selbstreflektieren zu  nerven. Wahrscheinlich  blockiere ich mich selbst und finde kaum noch Ideen oder Inspirationen, worüber ich schreiben könnte.

Auch mein englischsprachiger Blog stagniert, dieser jedoch einfach nur deshalb, weil  sich meine Wochenenden seit meinem Umzug nach Lüneburg verändert haben. Statt Ausflüge und Norddeutschland entdecken, stehen nun Besuche im Baumarkt  und die Familie auf dem Programm.

Wie soll es nun mit dem Schreiben weitergehen?

Nun, ich werde das Bloggen nicht aufgeben. Im Gegenteil. Ich will den Mut finden, wieder über das zu schreiben, was mich bewegt. Egal, ob es jemanden interessiert oder nicht. Letztendlich ist mein Blog ein Ausdruck meiner Selbst, ein Ort, den ich nach Belieben gestalten und nutzen kann, um meiner Freude am Schreiben nachzugehen. Es geht hier nicht um Leistung und Wettbewerb, sondern darum, mich konstruktiv und mit Freude mit Themen auseinanderzusetzen, die mir wichtig sind.

 

 

Brief an Martina (2)

Liebe Martina,

ich freu mich, dass das mit Deiner Reise nach Chile nun in die Planung geht. Und wie schön, dass Lena nun endlich eine Wohnung gefunden hat. Wann zieht sie ein? Die Preise in Hamburg sind ja astronomisch hoch, aber Berlin ist auch nicht besser. Markus hat fast 3 Monate gesucht und zahlt fast 900 Euro für 2 Zimmer in einem nicht angesagten Viertel.

Ich habe gerade mal wieder ein Schreiben von der Rentenversicherung bekommen, in dem sie mir mitteilen, wie viel Rente ich zu erwarten habe.  Ganz ehrlich, wenn ich von dem Betrag noch Steuern und Krankenversicherung zahlen soll, bleibt nicht mehr viel. Große Sprünge machen ist damit nicht drin. Nichts mit Reisen und genießen. Wir Frauen sind immer noch angeschmiert, besonders wir ehemals Alleinerziehenden. Jetzt rächt es sich, dass ich wegen der Kinder  fast 6 Jahre nur Teilzeit gearbeitet habe und nach dem Studium damals Ende der 80iger Jahre nur so wenig verdient habe. 1800 DM brutto habe ich in meinem ersten Job bekommen, dafür, dass ich versucht habe, Aussiedlern und Asylbewerbern die deutsche Sprache beizubringen. Und eine Witwenrente hab ich auch nicht zu erwarten, Peter war immer selbstständig und wir sind ja nicht verheiratet.

Neulich hab ich Jens  getroffen, erinnerst Du Dich, der damals immer davon sprach, irgendwann ein Buch schreiben zu wollen, der arbeitet jetzt  als Dozent bei Bildungsträgern, in so Maßnahmen für langzeitarbeitslose Jugendliche.  Weißt Du, dass die mittlerweile für 15 Euro die Stunde arbeiten? Und das ohne Festanstellung, jagen sie von einem Träger zum anderen.  Und die Auftraggeber dieser Träger sind unsere Institutionen:  Rentenversicherung, Arbeitsamt, Job Center.  Alle wollen sparen, und das tun sie konsequent. Bei Ausschreibungen entscheidet die Wirtschaftlichkeit und um die zu erreichen, müssen die Träger die Lohnkosten niedrig halten und wenn dann jemand wie Jens  arbeitslos wird, muss er gleich auf Hartz IV, weil er ja freiberuflich schuftet.  Der ist ganz schön frustriert, aber jetzt mit Ende 50 werden die Möglichkeiten für ihn auch immer weniger.

Da kommt noch richtig was an Altersarmut auf uns zu. All die Menschen, die in den 80iger und 90iger Jahren immer wieder arbeitslos oder in Maßnahmen waren. Die Leute, die in Zeitarbeitsfirmen für 6,80 € gewerblich geschuftet haben und all die Frauen natürlich, die wegen der Kinder lange zuhause waren.  Erinnerst Du Dich, wie viele der Frauen, die wir kannten, als unsere klein waren, damals nicht gearbeitet haben. Krippenplätze gab es damals ja auch so gut wie noch gar nicht. Wer da keinen Mann mit gutem Einkommen hat, macht am Ende eine lange Nase. In meinem Malkurs ist so eine Frau. Ihr Mann hat sie verlassen, als sie 54 war. Während ihrer Ehe hat sie sich um die vier Kinder, seine Eltern und seine Tante gekümmert, alle gepflegt  und ihm den Rücken freigehalten. 3 Jahre muss er ihr Unterhalt zahlen, dann muss sie auf eigenen Füßen stehen. Was hat sie da denn für Möglichkeiten? Sie war ja nie berufstätig. Wäre sie schlau gewesen, hätte sie die Scheidung verweigert. Dann hätte er weiter für sie zahlen müssen. Stattdessen freut sich jetzt seine Neue. Klar, durch den  Versorgungsausgleich kriegt sie später eine Rente, aber wie viel wird das sein? Wenn es ihr nicht gelingt einen Job zu finden, landet sie in Hartz IV. Dass die Frau nicht gut gelaunt ist, kann ich echt verstehen.

Aber genug Gemecker. Ich hab’s geschafft, den Termin beim Hautarzt auf Anfang Januar zu legen. Immer noch lange hin, aber vier Wochen früher als ursprünglich geplant. Wahrscheinlich lässt sich mittlerweile mit Schönheitschirurgie und Faltenreduzierung mehr verdienen als mit Medizin, auf jeden Fall war auch bei anderen Ärzten kein früherer Termin zu kriegen. Entweder nehmen die nur  Privatpatienten oder sind über Monate ausgebucht.

Bist Du schon in Weihnachtsstimmung? Ich finde, der Dezember ist immer so voll mit allen möglichen Terminen und bei uns auf der Arbeit kriseln ganz viele Patienten, Weihnachtszeit eben, und dann muss ich diesen Monat noch zum Zahnarzt und  die Operation von Lilly steht an.

Dienstag haben wir Termin beim Tierarzt. Die Herztabletten schlagen gut an, sie ist wieder viel munterer und die Tierärztin ist zuversichtlich, dass sie nach der Entfernung des Tumors wieder ganz gesund wird.

Dann muss ich noch meine Steuererklärung noch machen und  mit meiner Mutter ins Theater, die Weihnachtsfeier ist auch noch diesen Monat  und wir sind heute mit Dörte und Max zum Weihnachtsmarkt verabredet.

So, und jetzt muss ich erst mal die Küche aufräumen und mit dem Hund raus. Nachher kommt Nils mit der Kleinen vorbei, ich freu mich schon. Mach’s gut liebe Martina und ich hoffe, dass Du nächstes Jahr endlich mal wieder in den Norden kommst.

Bis ganz bald, liebe Martina,

Deine Trina

Schweinereien

Was habe ich da heute morgen im Radio gehört? Im echten Norden sorgt sich die CDU darum, dass angeblich immer mehr Kantinen, Kitas und Schulen  Schweinefleisch aus ihrem Speiseplan streichen, um auf religiöse Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Nun möchten einige Vertreter dieser Partei, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, Schweinefleisch auch weiterhin in öffentlichen Kantinen anzubieten.

Meine Kinder sind in den 90iger Jahren in einer großen Hamburger Kita betreut worden. Der Anteil an muslimischen Kindern war dort ziemlich hoch, aber keiner hat sich Gedanken über das Essen gemacht. Wenn Schweinefleisch auf den Tisch kam, dann gab es immer eine Alternative für die muslimischen Kinder. Also, Schweineschnitzel für die einen und Hähnchenschnitzel für die anderen. An den  anderen Tagen, wenn Vegetarisches, Hühnchen oder Fisch angeboten wurde, aßen sowieso alle das Gleiche. An Fasching und beim Sommerfest gab es Würstchen mit Kartoffelsalat für alle. Für die einen Geflügelwürstchen und für die anderen Bockwürstchen.   Vegetarier aßen keine Würstchen. Die muslimischen Kinder wussten, dass ihre Würstchen in der blauen Schüssel lagen und die deutschen bedienten sich aus der roten und alle fanden das ganz normal.

Die Kinder lernten allerdings sehr früh im Leben, dass Menschen unterschiedliche Essgewohnheiten haben und  trotzdem gute Freunde sein können.

Also, wo ist das Problem? Besteht die Gefahr, dass die Schweinebauern pleite gehen, weil weniger Schweinefleisch konsumiert wird? Das könnte doch auch auf den Trend zu veganer oder vegetarischer Kost zurückzuführen sein, nicht wahr? Sind womöglich gar die Flüchtlinge schuld, wenn immer mehr Menschen den Sonntagsbraten als nicht mehr zeitgemäß betrachten und sich um Cholesterinwerte sorgen? Oder gibt es etwa keine Caterer mehr, bei denen man 150 Schweineschnitzel, 50 Hähnchenschnitzel und 50 Gemüsebratlinge jeweils mit Kartoffeln, Broccoli und Möhren bestellen kann??? Oder geht es etwa um etwas ganz anderes?

Im übrigen gab es in unserer Kita zu Ostern Ostereier und Osterhasen, zu Weihnachten Tannenbäume, Glöckchen und Schokoweihnachtsmänner und die Schokolade schmeckte allen Kindern. Da es eine städtische Einrichtung war,spielte Religionserziehung keine Rolle, dafür aber Bräuche, wie die Weihnachtsbäckerei, die allen Kindern Spaß machte. Eltern waren herzlich eingeladen, am Geburtstag ihres Kindes oder zum Sommerfest einen Kuchen oder typische Leckereien aus ihrem Herkunftsland mitzubringen. Das taten die meisten auch gern und meine Kinder lernten so schon im Vorschulalter, dass die türkische Küche mehr als nur Döner im Angebot hat.

Eine idyllische Oase war unsere Kita trotzdem nicht. Im Gegenteil. Überall, wo Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen aufeinander treffen, lassen sich Konflikte nicht vermeiden. Konflikte sind nichts Schlechtes. Man kann daran wachsen, und sie zwingen uns, unseren Standpunkt zu bestimmen. Ich esse gern Schweinefleisch. Mindestens einmal in der Woche. Aber das ist eine persönliche Entscheidung.